19.07.2022 • Magnetismus

Tiefenaufgelöste Messung ultraschneller Magnetisierungs-Dynamik

Mithilfe von Femtosekunden-Röntgenpulse lässt sich die transiente Entstehung von Magnetisierungsprofilen innerhalb eines magnetischen Dünnschichtsystems verfolgen.

In der heutigen Informations­technik bestehen funktionale magnetische Bauelemente in der Regel aus Stapeln dünner Schichten magnetischer und nicht­magnetischer Materialien, die jeweils nur etwa einen Nanometer dick sind. Der Aufbau des Schicht­systems, die Auswahl der Atomarten und die sich daraus ergebenden Grenzflächen zwischen den einzelnen Schichten sind entscheidend für die Funktion des Bauteils.  In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass ultrakurze Laser­impulse bis hinab in den Femto­sekunden­bereich die Magneti­sierung eines Materials effektiv und sehr schnell beeinflussen können, wodurch der Magneti­sierungs­zustand vorüber­gehend geändert oder sogar dauerhaft umgeschaltet werden kann. Während diese Effekte bisher vor allem in einfachen Modell­systemen untersucht wurden, erfordern künftige Anwendungen ein Verständnis der Magneti­sierungs­dynamik auch in komplexeren Strukturen mit Hetero­genität auf der Nano­meterskala.

Abb.: Schema­tische Dar­stel­lung des expe­ri­men­tellen...
Abb.: Schema­tische Dar­stel­lung des expe­ri­men­tellen Spek­tro­sko­pie­auf­baus. Die Probe wird mit Femto­se­kunden-Laser­im­pulsen im Infra­rot­bereich op­tisch an­ge­regt und ihr Magne­ti­sie­rungs­zu­stand mit Femto­se­kun­den-Weich­rönt­gen­pulsen nach einem vari­a­blen Zeit­inter­vall ge­messen. (Bild: MBI)

Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin haben gemeinsam mit Kollegen anderer Institute eine Methode vorgestellt, welche es erlaubt, die räumliche und zeitliche Entwicklung laser­induzierter Spindynamik innerhalb einer komplexen magnetischen Hetero­struktur auf Femto- und Piko­sekunden­zeitskalen aufzulösen. Mithilfe ultrakurzer weicher Röntgenpulse einer Wellenlänge von etwa acht Nanometern, die mit einer breit­bandigen, auf der Erzeugung höherer Harmonischer basierenden Laborquelle erzeugt wurden, konnten sie die Entstehung eines magnetischen Tiefen­profils innerhalb einer zehn Nanometer dünnen ferri­magnetischen Eisen-Gadolinium-Schicht verfolgen, die zuvor mit einem Femto­sekunden-Laserpuls im Infrarot­bereich angeregt wurde.

Die zugrundeliegende Sensitivität auf die Magneti­sierung beruht auf dem trans­versalen magneto­optischen Kerr-Effekt, der zu einer magneti­sierungs­abhängigen Reflektivität führt und zudem element­selektiv ist. Zum Erhalt von Tiefen­information innerhalb der Struktur entwickelte das Team den folgenden Ansatz: Wenn die Strahlung eine Wellenlänge nahe einer atomaren Resonanz hat, ändert sich ihre Eindring­tiefe in das Material stark. Wie weit bestimmte spektrale Bestand­teile des breit­bandigen Röntgen­pulses in das Material hinein­schauen können, hängt also von ihrer genauen Wellenlänge ab. Folglich kann eine Tiefen­information aus den nach der Reflektion beobachteten spektralen Änderungen gewonnen werden. Für jeden Zeitpunkt nach Anregung lässt sich dabei das Magneti­sierungs­profil durch Vergleich der gemessenen Spektren mit von magnetischen Streu­simula­tionen berechneten Spektren ermitteln.

Im Experiment regte der 27 Femto­sekunden kurze IR-Laser­impuls, der die Magneti­sierungs­änderung induzierte, die Hetero­struktur von Seiten der Tantal­schicht aus an, welche die eigentlich magnetische FeGd-Schicht bedeckt. In den ersten hundert Femto­sekunden nach Anregung wurde daraufhin eine homogene Entmagneti­sierung der FeGd-Schicht beobachtet. Zu ihrer Über­raschung stellten die Wissen­schaftler jedoch fest, dass die laser­induzierte Magneti­sierungs­änderung zu späteren Zeiten von etwa einer Pikosekunde auf der dem einfal­lenden Laserpuls abgewandten Seite der FeGd-Schicht am stärksten war.

Vorübergehend bildet sich dabei ein inhomogenes Magneti­sierungs­profil, das eine verstärkte Entmagneti­sierung an der Grenzfläche zur dünnen darunter­liegenden Platin­schicht zeigt. Anhand der Zeitskala des sich entwickelnden Magneti­sierungs­gradienten konnten die verantwort­lichen mikro­skopischen Prozesse identifiziert werden: Entgegen anfäng­lichen Erwartungen konnte ein signi­fikanter Einfluss ultra­schnellen Spin­transports durch die Grenzfläche ausge­schlossen werden, da dieser bereits während der ersten hundert Femto­sekunden zu Magneti­sierungs­gradienten führen müsste. Statt­dessen entsteht der beobachtete Effekt durch Wärmezufuhr aus der tieferen Platinschicht in die magnetische Schicht, da das Platin den IR-Laserpuls viel stärker absorbiert als die anderen Schichten der Hetero­struktur und somit als lokali­sierte interne Wärmequelle wirkt.

Die von den Forschern vorgestellte Methode ermöglicht es, die Entwicklung von Magneti­sierungs­profilen mit Femto­sekunden zeitlicher und Nanometer räumlicher Auflösung entlang der bisher schwer zugänglichen Tiefe einer Probe zu verfolgen. Damit ebnet sie einen Weg zur Überprüfung funda­mentaler theoretischer Vorher­sagen im Bereich des ultra­schnellen Magnetismus sowie zur Unter­suchung laser­induzierter Spintransport- und Wärme­transport­phänomene in anwendungs­relevanten Systemen.

MBI / RK

Weitere Infos

 

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe
ANZEIGE

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen