07.09.2016

Tiefer Blick in Trafo-Kerne

Neutronen zeigen Mobilität von Domänen­wänden.

Mithilfe der Neutronen-Gitterinterferometrie ist es Forschern in der Schweiz erst­mals gelungen, das Ver­halten magne­tischer Domänen im Inneren des Eisen­kerns eines Trafos beim Anlegen von Magnet­feldern zu beob­achten. Das werde für das Ver­ständnis heutiger und die Ent­wick­lung zukünf­tiger, effi­zien­terer Trafos eine große Hilfe sein, so die Wissen­schaftler.

Abb.: Das Paul-Scherrer-Institut wird mit Strom aus einer Hoch­spannungs­leitung mit 50 kV ver­sorgt. An der im Bild ge­zeigten Trans­formator­station wird der Strom auf die Spannung von 16 kV trans­formiert und dann im Institut ver­teilt. Weitere Trans­forma­toren, die über das Institut ver­teilt sind, redu­zieren die Spannung dann auf 400 oder 230 V. (Foto: M. Fischer, PSI)

„Der ringförmige, magnetische Eisenkern im Trafo ist ein zentrales Element, das für die Erhöhung oder die Senkung der Spannung sorgt“, erklärt Christian Grün­zweig vom Paul-Scherrer-Institut. Eine wesent­liche Rolle spielen die darin verbor­genen winzigen magne­tischen Domänen. Inner­halb jeder Domäne ist die magne­tische Aus­richtung ein­heit­lich. Wird der Eisen­kern magne­tisiert, bedeutet dies auf mikro­sko­pischer Ebene, dass alle Domänen gleich aus­ge­richtet werden. Anders gesagt: Die Domänen­wände ver­schwinden. „Der entschei­dende Faktor für effi­ziente Trafos ist die Mobi­lität der Domänen­wände“, sagt Benedikt Betz, Dokto­rand in Grün­zweigs Team. Denn Wechsel­strom mit einer Frequenz von fünfzig Hertz magne­tisiert den Eisen­kern eines Trafos hundert Mal pro Sekunde um.

Wie sich die Domänenwände genau verhalten, ließ sich bislang nur indirekt beob­achten. Die Neutronen-Gitter­inter­fero­metrie, die Grün­zweig vor zehn Jahren im Rahmen seiner Doktor­arbeit am PSI ent­wickelt hat, ermög­licht nun erst­mals den direkten Blick auf die Domänen­wände. Auf den Bildern der Forscher zeigen sich die Domänen­wände als schwarze Striche. Das Team hat jetzt unter­sucht, was passiert, wenn man an einen Trafo Gleich­strom anlegt und diesen einmal hoch- und wieder herunter­fährt. Mit stei­gender Strom­stärke ver­schwanden die schwarzen Striche, der Eisen­kern wurde durch­gehend magne­ti­siert. Erst in diesem Zustand über­trägt der Eisen­kern die Spannung effektiv. Redu­zierten die Forscher den Strom wieder, erschienen auch die Striche und somit die Domänen­wände wieder.

In einer zweiten Untersuchung legten die Forscher dann Wechsel­strom an und vari­ierten Strom­stärke und Frequenz. Wie sich zeigte, gibt es bestimmte Schwellen sowohl der Strom­stärke als auch der Wechsel­strom­frequenz, ab der die Domänen­wände verschwinden oder zu erstarren scheinen. „Mit diesen Ein­blicken sorgen wir nicht un­mittel­bar für bessere Trans­for­ma­toren“, räumt Grün­zweig ein. „Aber wir bieten der Wissen­schaft und Industrie eine neue Methode an.“ Mit genauerer Kenntnis der magne­tischen Vor­gänge im Eisen­kern können Her­steller von Trans­forma­toren ziel­ge­richteter ihre Produkte opti­mieren.

Und das Potenzial für Verbesserungen ist enorm, da die großen Verteiler­trafos laut Hoch­rechnungen EU-weit pro Jahr rund 38 Tera­watt­stunden Energie ver­lieren – das ist mehr als die Hälfte der Menge, die allein die Schweiz im Jahr produ­ziert. Schon eine Effi­zienz­stei­gerung der Trafos um wenige Prozent könnte also die Produk­tions­menge mehrerer Kraft­werke ein­sparen.

PSI / RK

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