04.09.2018

Tissue-Engineering im Femtosekunden-Takt

Per Femtosekundenlaser dreidimensionale Struk­turen aus lebenden Zellen erzeugen.

Forschern der Hochschule München ist es erstmals gelungen, mit Hilfe eines Femto­sekunden­lasers lebende mensch­liche Zellen ohne Verun­reini­gung oder gene­tische Schäden in 3D auf ein Glas­plätt­chen zu drucken: Im Mikro­sekunden­takt schießt eine winzige Fontäne aus dem Proben­behälter und trifft auf ein mit Gel beschich­tetes Glas­plätt­chen. Inner­halb weniger Sekunden ent­steht eine drei­dimen­sio­nale Struktur aus lebenden mensch­lichen Zellen. Um Details erkennen zu können, braucht man Zeit­lupen­auf­nahmen.

Abb.: Die Moment-Aufnahme eines Jets nach einer Ver­zöge­rungs­zeit von zehn Mikro­sekunden und einer Puls­energie von etwa fünf Mikro­joule zeigt einen etwa 0,5 Milli­meter langen gleic­hmäßigen Jet, der sich von etwa fünfzig Mikro­meter Dicke nach oben hin auf etwa zehn Mikro­meter ver­jüngt. (Bild: J. Zhang, H. München)

Heinz Huber von der Hochschule München sitzt mit seinem Team vor dem Monitor und betrachtet die Abläufe in Slow-motion. „Wir können hier sehen, wie die Licht­pulse des Femto­sekunden­lasers die Flüssig­keit im Proben­behälter anregen und sich unter der Ober­fläche eine undurch­sichtige Plasma-Blase bildet“, erklärt der Forscher. Wenige Augen­blicke später explo­diert die Blase und eine Fontäne, dünner als ein Haar, schießt mit fünfzig Kilo­metern pro Stunde nach oben. Dieser Jet besteht aus winzigen Wasser­tröpf­chen – und diese en­thalten lebende Zellen.

„Mit diesem Jet können wir Zellstrukturen drucken“, erläutert Jun Zhang aus Hubers Team. „Die Anlage lässt sich so steuern, dass die Zellen in einer Ebene, aber auch drei­dimen­sional und in hoher Auf­lösung auf­ge­bracht werden können. So ent­stehen Keim­zellen für neues Gewebe.“ Je nach­dem, welche Zellen auf das Glas­plätt­chen auf­ge­druckt werden, bildet sich Haut-, Herz­muskel- oder Knorpel­gewebe. Zhang arbeitet der­zeit mit Sehnen-Zellen. Aus denen will er, zusammen mit den Medi­zinern an der Uni Regens­burg, künst­liche Sehnen für Implan­tate her­stellen. Weil diese aus körper­eigenen Zellen der Patienten gewonnen werden können, sind keine Abstoßungs­reaktionen zu befürchten. Bis Patienten mit Sehnen­ver­letzungen von der neuen Technik profi­tieren, wird aller­dings noch einige Zeit ver­gehen. „Noch sind wir in der Ent­wick­lungs­phase“, betont Huber.

Schon seit Jahren wetteifern Forscherteams auf der ganzen Welt um die beste Technik zur Her­stel­lung von künst­lichem Gewebe, dem „Tissue Enginee­ring“. Ziel ist es, im Labor Gewebe­ersatz­materi­alien zu erzeugen, die in Auf­bau und Funktion iden­tisch sind mit mensch­lichem Gewebe. Aus diesem sollen dann Implan­tate aber auch Gewebe­proben für die Unter­suchung neuer Wirk­stoffe her­ge­stellt werden. „Es gibt mittler­weile mehrere Druck­ver­fahren, bisher hat jedoch keines die hohen Erwar­tungen erfüllt“, erklärt Huber. Bei gängigen Inkjet-Bio­printern beispiels­weise setzt die Reibung in der Spritz­düse den Zellen zu und ver­ringert deren Über­lebens­rate. In Laser­druckern, die mit infra­roten Licht­pulsen arbeiten, führt eine energie­absorbie­rende, meist metal­lische Schicht zu Verun­reini­gungen mit Nano­partikeln. Und UV-Laser-Drucker ver­ursachen mit­unter Schäden am Erbgut.

„Wir haben daher nach einer alternativen Methode gesucht, die die Zellen nicht belastet. Dabei sind wir auf die Multi-Photonen-Absorp­tion gestoßen“, so Huber. Die Photonen, die ein Femto­sekunden­laser erzeugt, ver­setzten die Flüssig­keit in einen energe­tisch ange­regten Zustand, ohne die Zellen zu schädigen. Das Laser­licht kann außer­dem direkt, ohne Absorber, auf die Flüssig­keit gerichtet werden. Verun­reini­gungen werden damit ver­mieden. Ein weiterer Vorteil: Der Jet, der ent­steht, wenn die Energie aus der durch das Laser­licht erzeugten Plasma­blase ent­weicht, ist extrem dünn und kann daher Zellen in hoher Auf­lösung auf einem Objekt­träger platzieren. Theore­tisch ist die Multi-Photonen-Absorp­tion damit eine ideale Technik, um Struk­turen aus lebenden Zellen zu drucken.

Praktisch musste Hubers Team einige Hürden überwinden. Zwei Jahre haben die Forscher an den Details getüftelt, berichtet Zhang: „Unsere ersten Ver­suche mit dem Femto­sekunden­laser waren wenig ermuti­gend, die Zellen landeten zwar an den gewünschten Stellen, haben aber nicht über­lebt. Erst nach und nach haben wir heraus­ge­funden, wie man den Prozess steuern muss, um ein opti­males Ergebnis zu erzielen.“ Ent­schei­dend für das Über­leben der Zellen ist beispiels­weise die Fokus­tiefe des Lasers: Liegt die Plasma­blase zu tief unter der Ober­fläche, wird der Druck, der sich auf­baut, bevor die Blase platzt, zu hoch. Ein anderer wich­tiger Faktor ist die Energie der Laser­strahlen. Sie darf nicht zu hoch sein, sonst expan­diert die Blase zu schnell und zer­stört die Zellen. Und auch die Zeit spielt eine Rolle: Je schneller der Druck­prozess abge­schlossen ist, und das Glas­plätt­chen in den Brut­schrank gelegt wird, desto mehr Zellen über­leben und können sich ver­mehren.

Im nächsten Schritt wollen die Physiker zusammen mit Medi­zinern und Bio­logen die auf­ge­druckte Zell­struktur in echtes Sehnen­gewebe ver­wandeln. Die Arbeit ist Teil des Projekts „Centrum für an­ge­wandtes Tissue Enginee­ring und regene­rative Medizin“, in dem 15 Partner inter­diszi­plinär koope­rieren. Eines ist bereits klar: Damit die Zellen sich nicht nur ver­mehren, sondern auch so organi­sieren wie im mensch­lichen Körper, müssen die Umge­bungs­bedin­gungen stimmen. Benötigt werden gleich­mäßige Tempe­ra­turen um 37 Grad Celsius, Nähr­stoffe, Wachs­tums­faktoren, Collagen und ein aus­ge­tüfteltes Trainings­programm – nur wenn Sehnen­zellen ständig bewegt werden, ver­wandeln sie sich in ein Gewebe, das den Belastungen im mensch­lichen Körper stand­hält.

H. München / RK

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