15.01.2018

Topologische Isolatoren aus amorphem Metamaterial

Verknüpfte Kreisel liefern neuen Ansatz für viel­seitiges Material­system.

Topologische Isolatoren bilden eine noch sehr junge Material­klasse, die in sich schein­bar wider­sprüch­liche Eigen­schaften kombi­nieren. So können diese Meta­materi­alien elek­trischen Strom an ihrer Ober­fläche gut leiten, ver­halten sich im Innern aber wie ein Iso­lator. Bisher bestehen topo­lo­gische Isola­toren aus streng geord­neten, kristal­linen Schichten. Doch auch unge­ord­nete, amorphe Materi­alien sollen prinzi­piell topo­lo­gische Isola­toren bilden können, wie jetzt Forscher der Univer­sity of Chicago berichten. Mit komplexen Simu­la­tionen und Experi­menten mit mit­ein­ander ver­knüpften, rotie­renden Kreiseln konnten sie zeigen, dass trotz einer Anord­nung der Kreisel in einem will­kür­lichen, unge­ord­neten System ein Ver­halten auf­trat, dass die Mög­lich­keit neu­artiger topo­lo­gischer Isola­toren ohne einen geord­neten inneren Auf­bau nahe­legt.

Abb.: Mechanisches Modell für eine topo­lo­gischen Iso­lator aus mit Federn ver­knüpften rotie­renden Kreiseln. (Bild: N. Mitchell, U. Chicago)

Noah Mitchell und seine Kollegen wählten mit Federn verknüpfte Kreisel als eine ideale Platt­form, um die Physik von topo­lo­gischen Meta­materi­alien zu unter­suchen. Mit diesem mecha­nischen System konnten die Forscher das Wechsel­spiel von Atomen und Elek­tronen in einem topo­lo­gischen Iso­lator simu­lieren. So stabili­sierten sich die rotie­renden Kreisel – ange­trieben mit kleinen Elektro­motoren – an jeweils festen Posi­tionen. Ein Ver­halten, dass dem eines elek­trischen Iso­lators ohne Fähig­keit zur Strom­leitung ent­sprach.

Danach reichte eine kleine Störung des Systems aus, damit die am Rand ange­ord­neten Kreisel ins Trudeln gerieten und mehr Raum für sich bean­spruchten. Dieses Trudeln setzte sich völlig selbst­ständig in Form einer Welle fort und breitete sich über die Kreisel an den Rändern im Uhr­zeiger­sinn aus. Die Kreisel im Innern des Systems ver­harrten dabei stabil an ihren Posi­tionen. In diesem Ver­halten sehen die Forscher ein Ana­logon zu einem topo­lo­gischen Iso­lator mit einer aus­ge­prägten elek­trischen Leit­fähig­keit an seiner Ober­fläche.

Abb.: Simulation der umlaufende Welle in einem System mit­ein­ander ge­kop­pel­ter Kreisel. (Bild: N. Mitchell, U. Chicago)

Bisher gingen die Forscher davon aus, dass dieses ver­blüf­fende kollek­tive Ver­halten auf der streng symme­trischen Anord­nung der Kreisel wie die Atome in einem Kristall­gitter beruhte. Darauf änderten sie sowohl in ihren Simu­la­tionen als auch im Experi­ment die Posi­tionen der mit Federn ver­knüpften Kreisel, die sich nun an völlig will­kür­lich gewählten Plätzen ohne jede Ord­nung wie in einem amorphen Fest­körper ohne Kristall­struktur befanden. Zur Über­raschung der Wissen­schaftler bildete sich wieder eine um­lau­fende Welle trudeln­der Kreisel aus. „So konnten wir zeigen, dass die topo­lo­gischen Eigen­schaften auch in komplett amorphen Struk­turen auf­treten können“, sagt Mitchell.

Dieses Modell beruhte auf einer mechanischen Kopplung von Kreiseln. Aber nach Aus­sage der Forscher seien die so gewon­nenen theore­tischen und experi­men­tellen Erkennt­nisse all­ge­mein gültig und könnten beispiels­weise auf elek­tro­nische und photo­nische Materi­alien über­tragen werden. „Unsere Ergeb­nisse könnten funda­men­tale Aus­wir­kungen auf das Design und die Ferti­gung von topo­lo­gischen Materi­alien haben“, sagt Mitchell.

In weiteren Versuchen wollen die Wissenschaftler ein ana­loges Ver­halten auch in elek­tro­nischen und photo­nischen Meta­materi­alien unter­suchen. Dieser Ansatz könnte den Weg zur Ferti­gung topo­lo­gischer Isola­toren aus unge­ord­neten, amorphen Materi­alien ebnen. Diese ließen sich dann viel­leicht sogar über einen Prozess der Selbst­organi­sation günstig in großer Menge produ­zieren.

Jan Oliver Löfken

RK

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