31.03.2020 • AstrophysikPlanetenforschung

Trabantengeburt in einer Scheibe aus Wasserdampf

Ungewöhnliche Entstehung der großen Monde des Planeten Uranus.

Der Eisriese Uranus zieht als siebter Planet unseres Sonnen­systems weit draußen seine Runden – und tanzt dabei gewisser­maßen aus der Reihe. Während die anderen Planeten eine Eigen­rotation aufweisen, deren Achse mehr oder weniger in die gleiche Richtung zeigt wie Rotations­achse des gesamten Sonnen­systems, ist die Drehachse von Uranus um 98 Grad gekippt. Er rotiert also beinahe senkrecht liegend zu seiner Bahn­bewegung und zu den anderen großen Himmels­körpern. So ist die Drehachse des Jupiter nur um drei Grad geneigt, die der Erde um etwa 23 Grad. Ähnlich wie bei der Erde, die vor Urzeiten mit einem ungefähr mars­großen Himmels­körper namens Theia zusammen­gestoßen ist, ist auch beim Uranus eine planetare Kollision für die eigen­artige Rotation verant­wortlich.

Abb.: Falschfarbenbild des Uranus, aufgenommen mit dem Hubble Space Telescope....
Abb.: Falschfarbenbild des Uranus, aufgenommen mit dem Hubble Space Telescope. (Bild: NASA / E. Karkoschka, U. Arizona)

Uranus weist aber noch einige andere Besonder­heiten auf. Er ist nicht nur kälter als der weiter außen liegende Neptun. Auch das Mondsystem erscheint bei genauerer Betrachtung eigen­tümlich. So besitzt Uranus insgesamt 27 bekannte Monde, deren Gesamt­masse aller­dings die geringste unter den Riesen­planeten ist. 18 Monde umkreisen den Planeten um den Äquator. Diese Haupt­monde machen etwa 98 Prozent der Gesamt­masse des Trabanten­systems aus. Die anderen neun Monde weisen irreguläre Orbits auf, die nicht entlang des Äquators führen. Man geht deshalb davon aus, dass diese Monde erst eine gewisse Zeit nach der Entstehung des Uranus einge­fangen worden sind.

Die Bildung der Hauptmonde wirft aber eine Reihe von Fragen auf. Vermutlich wurden sie ähnlich wie der Erdmond in einer Scheibe aus Ejekta gebildet, die sich nach der Planeten­kollision um den Uranus gebildet hatte. Darauf weist ihre äquatoriale Bahn hin. Bei bisherigen Simulationen dieses großen Impakt­ereig­nisses kamen aber nicht annähernd die beobachteten Mond­größen und -bahnen zustande, die sich heute beobachten lassen. Wie ein Team japanischer Astronomen nun in aufwändigen Simulationen heraus­gefunden hat, spielt wohl der hohe Wasser­gehalt in diesem Bereich eine entscheidende Rolle. Das Wasser führt zu einer Dynamik, die sich etwa von der Bildung des Erdmondes deutlich unter­scheidet.

Die fünf Haupttrabanten des Uranus haben Massen von ungefähr einem Zehn­tausendstel bis Millionstel der Planeten­masse. Ihre Bahn erstreckt sich bis hin zum 25-fachen des Planeten­radius. Wären diese Trabanten unabhängig vom Impakt­ereignis entstanden, so könnten nur komplexe Gezeiten­kräfte in einem aus mehreren Schritten bestehenden Prozess sie auf ihre heutige Bahn gebracht haben. Deutlich plausibler erscheint ihre Entstehung durch das Impakt­ereignis, das auch die Planeten­achse gekippt hat. Bisherige Modellie­rungen haben jedoch zu Trabanten­systemen geführt, die von ihrer Ausdehnung eine Größen­ordnung kleiner und von der Masse her zwei Größen­ordnungen größer sind als beobachtet.

Bei ihren Simulationen haben die japanischen Forscher deshalb die Phasen­umwand­lungen der Eis­massen explizit modelliert, aus denen Uranus besteht und vermutlich ebenso der Impaktor großteils bestanden hat. Beide Planeten haben einen vergleichs­weise kleinen Gesteinskern, einen Eismantel und eine Atmo­sphäre mit einem Anteil an Wasser­stoff und Helium von drei bis zehn Gewichts­prozent. Als der Impaktor auf Uranus stürzte, sollte die umgesetzte Kollisions­energie so groß gewesen sein, dass sie die latente Wärme des Wassereises rund hundert­fach überstieg. Die Trümmer­scheibe, die sich um Uranus bildete, bestand deshalb zum größten Teil aus Wasser­dampf und einem Gasgemisch aus Wasser­stoff und Helium. Außerdem waren noch Methan sowie Ammoniak enthalten.

Aus dieser Dampfscheibe kondensierten zunächst Eiskörner heraus, die langsam anwuchsen und sich durch turbulente Prozesse mitein­ander vermischten, wobei die gleich­zeitige Abkühlung dieser Scheibe eine wichtige Rolle spielte. Die Wissen­schaftler berechneten dies anhand von Diffusions­gleichungen für viskose Gase.

Während beim Erdmond sich ungefähr die Hälfte der flüssigen und festen Bestand­teile der Scheibe schnell zum Mond zusammen­setzte, entwickelte sich das Trabanten­system um Uranus anders. Zunächst dehnte sich die Scheibe zügig aus und kühlte ab. Die Konden­sation des Wasser­dampfs zu Eis setzte zu einem Zeit­punkt ein, als sich die Scheibe schon mehr oder weniger in einem stationären Zustand befand. Da das viskose Aufheizen die Temperatur im Innern der Scheibe stärker erhöht als weiter außen, geschah die Konden­sation zu Eis vornehmlich in den äußersten Bereichen. Zugleich war die Bildung schwerer Trabanten auf niedrigen Orbits unter­drückt. Auf diese Weise lässt sich einerseits erklären, warum die Haupt­trabanten auf höheren Umlauf­bahnen liegen. Außerdem erklärt das Modell gut das beobachtete Verhältnis von Gestein zu Eis, da Gesteine Schmelz­punkte von rund 2000 Kelvin aufweisen und dadurch sehr viel schneller aus­konden­sieren.

Dieses Modell könnte sich auch auf Exoplaneten anwenden lassen. Die Forscher halten es für möglich, dass es sich vielleicht nicht nur auf Eisriesen, sondern auch auf Eismonde ausweiten lässt, die Super-Erden umkreisen.

Dirk Eidemüller

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