28.04.2023

Transistor aus einer Germanium-Zinn-Legierung

Ladungsträger können sich schneller bewegen als in Silizium oder Germanium.

Wissenschaftler des Forschungs­zentrums Jülich haben einen neuartigen Transistor aus einer Germanium-Zinn-Legierung gefertigt, der gegenüber herkömmlichen Schalt­elementen einige Vorteile aufweist. Ladungs­träger können sich in dem Material schneller bewegen als in Silizium oder Germanium, was niedrigere Spannungen im Betrieb möglich macht. Der Transistor ist damit ein vielversprechender Kandidat für künftige Low-Power- und High-Performance-Chips und könnte sich als nützlich für die Entwicklung von Quanten­computern erweisen.

Abb.: Germanium-Zinn-Transistor unter dem Elektronen­mikroskop: Der Aufbau...
Abb.: Germanium-Zinn-Transistor unter dem Elektronen­mikroskop: Der Aufbau folgt einer 3D-Nanodraht­geometrie. (Bild: FZJ)

Etwa alle zwei Jahre verdoppelte sich in den letzten siebzig Jahren die Anzahl der Transistoren auf einem Chip – so besagt es das bis heute gültige Mooresche Gesetz. Entsprechend kleiner wurden die Schaltkreise, doch ein Ende der Entwicklung scheint absehbar. „Inzwischen ist man bei Strukturen angekommen, die nur noch zwei bis drei Nanometer groß sind. Das entspricht etwa zehn Atomdurchmessern. Damit bewegt man sich an den Grenzen des Machbaren, viel kleiner geht es nicht“, sagt Qing-Tai Zhao vom Peter Grünberg Institut (PGI-9) des Forschungs­zentrums Jülich. Schon länger suchen Forschende daher nach einem Ersatz für Silizium, dem Grundstoff der Halbleiter­industrie. „Die Idee ist, ein Material zu finden, das günstigere elektronische Eigenschaften aufweist und mit dem man die gleiche Performance bei größeren Strukturen erzielen kann“, so Qing-Tai Zhao.

Im Fokus der Forschung steht unter anderem ein Material, das bereits in den Anfängen der Computerära zum Einsatz kam: Germanium. Elektronen können sich darin deutlich schneller bewegen als in Silizium, zumindest in der Theorie. Qing-Tai Zhao und seine Kollegen gingen jetzt noch einen Schritt weiter. Um die elek­tronischen Eigenschaften weiter zu optimieren, bauten sie Zinn-Atome in das Germanium-Kristallgitter ein. Das Verfahren wurde vor einigen Jahren am Peter Grünberg Institut entwickelt. „Das Germanium-Zinn-System, das wir erprobt haben, macht es möglich, die physika­lischen Grenzen der Silizium­technologie zu überwinden“, erklärt Qing-Tai Zhao. Der Transistor aus Germanium-Zinn zeigt in Experimenten eine 2,5-fach höhere Elektronen­beweglichkeit als ein vergleichbarer Transistor aus reinem Germanium.

Ein weiterer Vorteil: Das neue Material ist mit dem bestehenden CMOS-Prozess zur Chip-Herstellung kompatibel. Germanium und Zinn stammen aus der gleichen Hauptgruppe im Perioden­system wie Silizium. Die Germanium-Zinn-Transistoren ließen sich daher mit bestehenden Produktions­linien direkt in konventionelle Silizium­chips integrieren. Neben klassischen Digitalrechnern könnten auch Quantencomputer von dem Germanium-Zinn-Transistor profitieren. Schon länger gibt es Bestrebungen, Teile der Steuerelektronik direkt auf dem Quantenchip anzubringen, der im Innern eines Quanten­computers bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt betrieben wird. Messungen legen nahe, dass Germanium-Zinn-Transistoren unter diesen Bedingungen deutlich besser funk­tionieren als solche aus Silizium.

„Die Herausforderung besteht darin, einen Halbleiter zu finden, der auch bei tiefsten Temperaturen noch mit geringen Spannungen schaltbar ist“, erklärt Qing-Tai Zhao. Für Silizium flacht diese Schaltkurve unterhalb von fünfzig Kelvin ab. Die Transis­toren benötigen dann eine hohe Spannung und viel Energie. Die entstehende Wärme führt letztlich zu Störungen der empfind­lichen Quantenbits. „Germanium-Zinn schneidet bei Messungen bis zu zwölf Kelvin besser ab und es besteht die Hoffnung, das Material auch bei noch niedrigeren Temperaturen einzusetzen“, so Qing-Tai Zhao.

Der Germanium-Zinn-Transistor könnte sich zudem als nützlicher Baustein für die optische On-Chip-Daten­übertragung erweisen. Die Übermittlung von Informationen mit Licht­signalen ist bereits in vielen Datennetzen Standard, weil sie erheblich schneller und energiesparender ist als der Transfer über elektrische Leiterbahnen. Im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik werden Daten dagegen meist noch elektrisch übertragen. Instituts­kollegen der Jülicher Arbeitsgruppe von Dan Buca haben in der Vergangen­heit bereits einen Germanium-Zinn-Laser entwickelt, der die Möglichkeit schafft, Daten direkt auf einem Siliziumchip optisch zu übertragen. Der Germanium-Zinn-Transistor ist nun ein weiterer Baustein, um die optische und elektrische Daten­übertragung zu vereinen.

FZJ / JOL

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