Treibstoff aus Treibhausgas
Molekulares Blatt aus Graphen erzeugt Kohlenmonoxid aus CO2 und Licht.
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Motoren oder Kraftwerken setzt Unmengen an CO2 frei. Längst ist die Anreicherung des Gases in der Atmosphäre als Hauptschuldiger für die Klimaerwärmung identifiziert. Indem sie CO2 mit Hilfe von Sonnenlicht in Zucker umwandeln und so Energie speichern, zeigen uns Bäume und andere Pflanzen einen möglichen Ausweg aus der Misere auf. Aufgrund der niedrigen Reaktivität des Treibhausgases gestaltet sich die technische Umsetzung jedoch schwierig: Es fehlt an geeigneten Katalysatoren. Forscher der Indiana University in den USA haben nun ein Molekül synthetisiert, das nicht nur aussieht wie ein Blatt, sondern auch Ähnliches leistet. Es besteht aus einem winzigen Stückchen Graphen in Kombination mit einer Metallverbindung. In einer mit CO2 angereicherten Lösung kann es Sonnenlicht absorbieren und mit der gewonnenen Energie Kohlenmonoxid erzeugen.
Abb.: Das Katalysatormolekül aus Graphen und Rhenium absorbiert Sonnenlicht und wandelt wiederholt CO2 in CO um. (Bild: B. Noffke, R. Schaugaard )
Kohlenmonoxid ist nicht nur ein wichtiger Rohstoff für die Industrie, es kann auch als klimaneutraler Energiespeicher dienen, indem man es etwa in Treibstoffe wie Methanol umwandelt. Wird CO2 aus der Atmosphäre entnommen, um CO zu erzeugen, so gelangt bei einer späteren Verbrennung nur so viel Kohlenstoff zurück in die Luft, wie vorher entnommen wurde. Es wird im Grunde also nur die Sonnenenergie wieder freigesetzt, die benutzt wurde, um es herzustellen. Eine der wichtigsten Eigenschaften für einen geeigneten Katalysator ist ein möglichst geringes Überpotenzial. Das heißt, er soll für die Aufspaltung von CO2 in CO nur geringfügig mehr Energie benötigen, als bei eine anschließenden Oxidation wieder frei wird.
Hier hat die Forschergruppe um Liang-shi Li nun eigenen Angaben zufolge einen neuen Rekord zu verbuchen: Mit einem Wert von -0,48 V vs NHE, einer Einheit, die das gemessene Potenzial in Relation zu einer Standardelektrode setzt, um Ergebnisse besser vergleichen zu können, haben sie das bisher geringste Überpotenzial für einen molekularen Katalysator realisiert. Wie Simulationen auf der Basis der Dichtefunktionaltheorie (DFT) zeigen, dürften Delokalisierungseffekte im Graphen für diesen Effekt verantwortlich sein. Darüber hinaus dient das Graphen quasi als Sonnensegel, das große Mengen an Sonnenlicht absorbiert und die Energie an die Metallverbindung weiterleitet. Dort bindet ein Rheniumatom wiederholt CO2, wandelt es in Kohlenmonoxid um und gibt es als Gas an die Umgebung ab. Der überschüssige Sauerstoff verbleibt dagegen in der Lösung.
Als Bindeglied zwischen Graphen und dem Rheniumatom dient Bipyridin. Bipyridin-Metall-Komplexe werden schon lange zur CO2-Reduktion mit Sonnenlicht untersucht, haben aber den Nachteil, dass sie nur einen kleinen Teil des Lichts, hauptsächlich im UV-Bereich absorbieren. Graphen dagegen absorbiert das Licht auf einer wesentlich größeren Fläche und bis zu Wellenlängen von 600 Nanometern. „Unsere Moleküle absorbiert genug Licht um die Reaktion ohne Einsatz zusätzlichen Fotosensibilisatoren anzutreiben“, erklärt Li. „Das vereinfacht das Design zukünftiger Katalysatoren erheblich.“
Um die Leistungsfähigkeit des neuen Katalysators zu demonstrieren, haben Li und seine Kollegen die Moleküle in einer mit CO2 gesättigten Lösung mit einer 100-Watt-Wolframlampe bestrahlt. Eine anschließende Gaschromatografie zeigte CO als einziges Produkt. Weiters konnten sie feststellen, dass jedes Katalysatormolekül im Schnitt 48 CO2-Moleküle aufspaltet, bevor es inaktiv wird. In Zukunft wollen die Forscher daran arbeiten, die Moleküle in eine feste Form zu bringen. „So könnte man den Katalysator von der Reaktion trennen und er wäre in der Praxis einfacher einsetzbar“, meint Li. „Außerdem könnte es, indem es einige unerwünschte Nebenreaktionen eliminiert, die Lebensdauer der Moleküle verlängern.“
Natürlich ist Lis Gruppe nicht die Einzige, die sich mit der Gewinnung von Treibstoff aus Kohlendioxid befasst. Bereit 2016 haben Forscher aus Illinois ein „künstliches Blatt“ vorgestellt, das aus Sonnenlicht, Wasser und CO2 Kohlenmonoxid erzeugt. Auch hier diente ein Nanomaterial als Katalysator: zweidimensionale Nanoflakes aus einer Wolfram-Selen-Verbindung mit reaktiven Rändern. Allerdings handelte es sich dabei um einen vergleichsweise komplexen Aufbau, bestehend aus einer zweigeteilten elektrochemischen Zelle mit drei Elektroden. Außerdem haben die Katalysatormoleküle das Sonnenlicht nicht selbst absorbiert – das übernahmen zwei herkömmliche Solarzellen auf Siliziumbasis. Dennoch konnte das System ohne äußere Energieversorgung CO und Wasserstoff erzeugen.
Einen völlig anderen, thermochemischen Zugang haben kürzlich Forscher des ETH Zürich vorgestellt. Sie haben einen mit einem Redoxmaterial ausgekleideten Solarreaktor entwickelt, der mit Hilfe von 3000-fach konzentriertem Sonnenlicht CO2 aufspaltet. Dafür wird in einem periodischen, zweistufigen Prozess das Redoxmaterial zunächst auf 1500 °C erhitzt um Sauerstoff zu erzeugen. Anschließend reoxidiert CO2 das Material bei 900 °C und es entsteht Kohlenmonoxid. Die Effizienz, mit der dabei Sonnenlicht in Treibstoff umgewandelt wird, beträgt 5,25 Prozent - den Forschern zufolge ein neuer Rekord für die thermochemische Spaltung von CO2. Derartige Reaktoren könnten in Zukunft etwa bereits bestehende Infrastrukturen von Sonnenwärmekraftwerken nutzen. Installiert in den Solartürmen könnten sie dort, anstatt Wasser für die Turbinen zu verdampfen, Kohlendioxid in CO umwandeln.
Thomas Brandstetter
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