Trendwende beim Publizieren?
Trotz aller Fortschritte bleibt die Finanzierung von Open Access-Zeitschriften eine Herausforderung.
Open Access, also der völlig freie und weltweite Zugang zu wissenschaftlicher Information, ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema. Mit der „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ haben sich seit 2003 fast 300 Unterzeichner dazu verpflichtet, Open Access (OA) in ihren Institutionen zu fördern. Seither findet jährlich eine Folgekonferenz statt, zuletzt im vergangenen Oktober in Beijing und damit erstmals außerhalb Europas. Die Teilnehmer der von der chinesischen National Science Library, der Chinese Academy of Sciences (CAS) und der Max Planck Digital Library organisierten Konferenz kamen aus allen Kontinenten.
Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz ist Professor an der Georg-August-Universität Göttingen, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und seit 2005 Editor-in-Chief des New Journal of Physics.
Nur ein Jahr zuvor hatte ich von der „Berlin-7-Konferenz“ in Paris den Eindruck mitgenommen, dass noch viele Hindernisse zu überwinden sind, bevor alle Akteure Open Access anerkennen würden. Insbesondere schien der „goldene Weg“ fast unerreichbar zu sein: Demnach sollen Publikationen vom ersten Erscheinen an kostenfrei und elektronisch der Öffentlichkeit zugänglich sein und bleiben. Die Verlage wiesen jedoch immer wieder darauf hin, dass im Mittel 3000 Dollar pro akzeptiertem Artikel notwendig wären, um ein stabiles Publikationswesen zu gewährleisten. Die Befürworter von Open Access nannten zwar viele Gegenbeispiele, aber die Situation war doch sehr gespannt und die Unsicherheit der Verlage zu spüren.
Auch bei den Wissenschaftlern überwog die Skepsis. In meiner Funktion als Editor-in-Chief des New Journal of Physics, der OA-Zeitschrift von der DPG und dem Institute of Physics, hörte ich letztes Jahr insbesondere von amerikanischen Autoren immer wieder, dass es ausgeschlossen sei, für die Publikation eines Artikels zu zahlen. Meine Bemerkung, dass viele Wissenschaftler gerne in Journalen wie Nature, Science und Physical Review Letters publizieren, die ja nicht gerade niedrige Publikationskosten haben, wurde nur mit einen Schulterzucken quittiert. Erst meine Frage, warum die Bibliotheken unser „kostenloses“ Publizieren finanzieren sollten und warum wir als Autoren nicht direkt auf die rasant steigenden Publikationskosten Einfluss nähmen, führte zu einem besseren Verständnis für Open Access.
Angesichts dieser Bedenken fuhr ich mit geringen Erwartungen nach Beijing. Was sollte sich schon in einem Jahr groß bewegt haben? Dann aber entpuppte sich die Konferenz als eine große Überraschung, denn viele Forschungsorganisationen und Bibliotheken unterstützen nun ihre Wissenschaftler, wenn sie in OA-Zeitschriften veröffentlichen. So gab zum Beispiel die Bibliothek der CAS bekannt, einen Teil der Kosten für ausgewählte Journale zentral zu tragen. Außerdem gaben führende kommerzielle Verlage ihre ablehnende Haltung auf und erklärten Open Access zum möglichen Veröffentlichungsmodell. Ursache dafür ist der Druck der Wissenschaftler, der Forschungsfördereinrichtungen und der Politik. Zudem entstehen durch die zentrale Förderung von Open Access stabile Finanzströme, die den Verlagen finanzielle Kalkulierbarkeit gewährleisten. Zum Beispiel stellt die DFG für Einzelanträge 750 Euro pro Jahr als Publikationspauschale bereit, und Universitäten können 75 Prozent der für einen zentralen Open-Access-Publikationsfonds kalkulierten Mittel beantragen und diese verausgaben, falls die Publikationskosten pro Artikel 2000 Euro nicht überschreiten.
Auch aus der Physik gab es sehr gute Nachrichten. Das CERN erklärte, dem Ziel sehr nahe zu sein, dass alle Publikationen im Rahmen der SCOAP3-Initiative der Hochenergiephysik frei verfügbar sind. Internationale Forschungsorganisationen haben bereits drei Viertel der hierfür benötigten zehn Millionen Euro pro Jahr zugesagt. Die American Physical Society gab ihre Zurückhaltung gegenüber Open Access auf und hält eine komplette Umstellung für möglich, falls die Finanzströme abgesichert sind. Zugleich kündigte die APS mit Physical Review X eine neue OA-Zeitschrift an, mit einer Publikationsgebühr von 1000 Euro pro Artikel. Der Verlag Institute of Physics Publishing berichtete, dass New Journal of Physics mit Gebühren von 750 Euro pro Artikel schwarze Zahlen schreibt und in neue Technologien investiert. Sehr wichtig ist auch, dass die Cornell University Library international erfolgreich Mittel eingeworben hat, um den Preprint-Server arXiv zu sichern.
Die Zukunft für Open Access ist also verheißungsvoll. Wenn man sich vor Augen hält, dass der Weltmarkt für Physik-Publikationen mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr umfasst und derzeit noch fast alle Publikationen nicht frei zugänglich sind, bleiben trotz aller guten Nachrichten noch große Herausforderungen. Insbesondere ist es an uns, Einfluss auf unsere Bibliothekare, auf Forschungsförderer und die Politik zu nehmen, um gesicherte Finanzierungsformen von Open Access zu finden.
Eberhard Bodenschatz
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