Trinkwasser aus der Luft
Mit einem hygroskopischen Salz extrahiert ein Hydrogel Trinkwasser aus trockener Luft.
Hydrogele saugen zuverlässig Wundwasser aus Schürfwunden und halten Urin von Babyhaut fern. Einem Forschungsteam ist es nun gelungen, mit einem speziell entwickelten salzhaltigen Hydrogel schnell große Mengen Trinkwasser aus trockener Luft zu extrahieren. Das hygroskopische Salz erhöhte dabei die Quellleistung des Gels. Anwendungen könnten die Trinkwassergewinnung in ariden Gebieten sein.
Hydrogele können ein Vielfaches ihres Gewichts an Wasser aufnehmen und speichern. Dabei schwillt das zugrunde liegende polymere Material durch die Wassereinlagerung stark an. Auf diese Weise auch Luftfeuchtigkeit für die Trinkwassergewinnung anzureichern, war aber bislang nicht möglich. Die Wasseraufnahme aus der Luft verläuft zu langsam und ineffektiv. Beschleunigen könnten die Saugleistung hygroskopische Salze, die der Luft rasch große Mengen an Feuchtigkeit entziehen können. Hygroskopische Salze und Hydrogele bilden aber normalerweise keine gute Kombination: Das Salz lässt das Gel korrodieren und verschlechtert dessen Eigenschaften. Zudem sitzen die Salzionen nicht fest genug im Gel und werden leicht wieder ausgewaschen.
Der Materialwissenschaftler Guihua Yu und sein Team an der University of Texas at Austin haben nun ein besonders salzfreundliches Hydrogel entwickelt. Dieses Gel entfaltet zusammen mit einem hygroskopischen Salz eine stark wasserentziehende und -speichernde Wirkung. Dem Team gelang es, mit diesem Gel in 24 Stunden fast sechs Liter reines Wasser pro Kilogramm Material aus einer Luft mit dreißig Prozent Luftfeuchte zu extrahieren. Grundlage des neuartigen Hydrogels war ein Polymer, das aus zwitterionischen Molekülen aufgebaut war. Polyzwitterionen tragen sowohl positive als auch negativ geladene funktionelle Gruppen, die das Gel salzresponsiv machten. Zunächst lagen die Molekülstränge im Polymer fest zusammen. Gaben die Forschenden jedoch das Salz Lithiumchlorid hinzu, lockerten sich die Molekülstränge auf, und es bildete sich ein poröses, schwammartiges Hydrogel, in das sich Wassermoleküle schnell und bereitwillig einlagern konnten.
So bereitwillig, dass das Team einen zyklischen Betrieb zur kontinuierlichen Wasserabscheidung etablieren konnte. Immer eine Stunde ließen die Forschenden das Hydrogel Luftfeuchte aufnehmen, dann trockneten sie das Gel in einer Kondensationsapparatur, um das verdunstende Wasser aufzufangen. Diese Prozedur wiederholten sie viele Male, ohne dass es zu nennenswerten Verlusten an der Menge Wasser kam, die aufgenommen, abgegeben oder gesammelt wurde. Mit dem frisch hergestellten Hydrogel ließe sich laut Forscher Yu optimal ein täglicher Wasserbedarf aus der Luft extrahieren. So könnten polyzwitterionische Hydrogele bei der Gewinnung von Atmosphärenwasser in ariden Regionen zukünftig eine Schlüsselrolle spielen.
Wiley-VCH / JOL