Trocken, aber nicht staubtrocken
Analysen von Mondgestein und spektroskopische Daten belegen überraschend hohen allgemeinen Wasseranteil.
Die Geburt des Mondes war dramatisch: Bei der Kollision eines etwa marsgroßen Planeten mit der Proto-Erde entstand der Erdtrabant aus den glühenden Resten der Kollisionspartner, die um die neugeborene Erde kreisten. Aufgrund der hohen Temperaturen sind dem Mond damals viel Wasserstoff und andere leichte Elemente verloren gegangen. Eine wichtige, aber nur teilweise geklärte Frage der Mondforschung besteht nun darin, was genau während der Agglomeration und der darauf folgenden Abkühlung des Mondes mit den leichtflüchtigen Substanzen passiert ist. Diese Frage ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil insbesondere ein höherer Wasseranteil in der Mondkruste eine wichtige Ressource für bemannte längerfristige Mondmissionen darstellen würde: Der Transport größerer Mengen Wasser ist ein deutlicher Kostenfaktor und ließe sich spürbar reduzieren, wenn man auf dem Mond Wasser gewinnen könnte.
Abb.: Wasser auf dem Mond: Die eingefärbten Gebiete besitzen einen besonders hohen Wasseranteil. Gelb und rot zeigen die höchsten Konzentrationen. (Bild: Milliken Lab, Brown U.)
Gleich zwei Forscherteams präsentieren hierzu nun neue Erkenntnisse, die einerseits auf einen etwas feuchteren Mond hinweisen, als bisherige Modelle es erwarten ließen, und die andererseits neues Licht auf die Art und Weise werfen, wie der Mond einen guten Teil seiner leichtflüchtigen Elemente verlor. Das versöhnt widersprüchliche Messungen aus der Vergangenheit zumindest teilweise: Denn neuere Analysen verschiedener Gesteinsproben der Apollo-Missionen hatten deutlich höhere Wasserkonzentrationen ergeben, als nach Mondbildungsmodellen hätten vorliegen dürfen. Es war aber nicht klar, ob die Apollo-Gesteine eine repräsentative Probe für Mondgestein darstellen oder ob sie nur zufällig so viel Wasser enthalten.
Ralph Milliken und Shuai Li von der Planetary Geosciences Group der Brown University in Providence untersuchten hierzu Daten des Moon Mineralogy Mapper. Dieses Instrument befand sich auf Chandrayaan-1, der ersten indischen Mondsonde, und war ein Beitrag der NASA zu dieser Mission. Chandrayaan-1 umkreiste den Mond ab Herbst 2008 ein knappes Jahr lang insgesamt rund 3400 Mal, bevor technische Probleme an wichtigen Komponenten auftraten, schließlich die Kontrolle verloren ging und die Mission beendet wurde. Angesichts der geringen Kosten – es war die bislang günstigste Mondmission – und der erzielten Resultate galt Chandrayaan-1 dennoch als großer Erfolg.
Insbesondere bei Wellenlängen rund um drei Mikrometer lässt sich Wasser anhand von Absorptionsspektren nachweisen. In diesem Bereich ist auch Moon Mineralogy Mapper sensitiv. Allerdings liegt im Wellenlängenbereich oberhalb von zwei Mikrometern auch starke thermische Strahlung vor, so dass die Bestimmung des Wasseranteils schwierig ist. Die Wissenschaftler konnten hier neue Methoden zur Korrektur thermischer Strahlung in diesem Wellenlängenbereich nutzen, um diese Fehler auszugleichen.
Das Problem bei der Bestimmung der lunaren Wasserkonzentration: Auf spektroskopischen Aufnahmen durch Mondorbiter verfälscht der Wasser-Eintrag durch den Sonnenwind die Messungen. Dieser beliefert zwar nur eine dünne Schicht mit Wassermolekülen, gaukelt dadurch aber eine höhere Wasserkonzentration vor, als sie im Innern des Mondes vorliegt. Die beiden Forscher der Brown University konnten auch diesen Einfluss korrigieren und fanden vor allem in alten pyroklastischen Strömen überraschend viel Wasser: Über große Flächen verteilt betrug die Konzentration 150 ppm, an einigen Stellen sogar 300 bis 400 ppm. Das bestätigt die Werte der Gesteinsproben auch deshalb, weil die Messungen aus dem Mondorbit vergleichbare Wassermengen sowohl in Nähe der Apollo-Landezonen als auch in größerer Entfernung vorfand. Offenbar ist das Mondinnere feuchter als vermutet und Vulkanausbrüche haben dieses Material immer wieder an der Oberfläche verteilt. Für künftige Mondssionen lassen sich aus diesen Ergebnissen einige interessante Erkenntnisse ableiten: So bieten sich wohl vor allem größere pyroklastische Ströme für die Suche nach Wasser an.
In einer zweiten Studie haben Chizu Kato und Frédéric Moynier von der Université Sorbonne untersucht, welche Prozesse auf dem Mond zum Verlust seiner leichtflüchtigen Elemente geführt haben. Auch wenn Mond und Erde sich in ihrer Isotopenverteilung sehr ähnlich sind und die Kollision zwischen den ursprünglichen Himmelskörpern in der Frühzeit unseres Sonnensystems stattfand, lassen sich anhand der leichten Isotope doch Abfolgen der damaligen Ereignisse ermitteln.
Die beiden Forscher verglichen hierzu die Massenanteile der beiden stabilen Gallium-Isotope Ga-69 und Ga-71. Da Gallium auf der einen Seite eine niedrige Kondensationstemperatur besitzt und andererseits bei magmatischen Prozessen sein Isotopenverhältnis nicht ändert, eignet es sich gut als Indikator für heiße planetare Evaporationsprozesse. Auch Zink und Magnesium zogen die Forscher als Vergleich heran, da diese Elemente bei früheren Untersuchungen der Gesteinsproben schon genau untersucht wurden.
Die Ergebnisse weisen auf ein einziges starkes Evaporationsereignis hin. Allerdings lässt sich noch nicht klar sagen, ob der Verlust der leichten Elemente bei der Kollision der Himmelskörper und der darauf folgenden Bildung des Mondes aus den Planetentrümmern oder etwas später während einer heißen frühen Phase der Mondgeschichte stattfand, als unser Begleiter von einem Magma-Ozean bedeckt war. Die Daten sprechen aber gegen einen wiederholten Verlust leichtflüchtiger Substanzen.
Dirk Eidemüller
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