Tschuri deutlich jünger als angenommen
Forscher simulieren Entstehung des entenförmigen Kometen.
Der Komet Tschurjumow-Gerassimenko, zumeist kurz „Tschuri“ genannt, hat seine entenförmige Gestalt nicht bei der Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren erhalten wie bisher gedacht. Das schließen Forscher der Uni Bern aus Computersimulationen. Sie zeigen, dass der Komet in seiner jetzigen Form kaum mehr als eine Milliarde Jahre ist. Trotzdem enthält er Material aus der Urzeit des Sonnensystems.
Abb.: Tschuri mit seiner zweiteiligen Struktur und dem zerbrechlichen „Hals“ dazwischen. (Bild: ESA)
Aufgrund der Daten der Raumsonde Rosetta nahmen die Astronomen bisher an, dass der Komet seine eigenartige, entenförmige Struktur durch einen sanften Zusammenstoß zweier Objekte vor etwa 4,5 Milliarden Jahren erhalten hat. „Doch es ist unwahrscheinlich, dass ein Körper wie Tschuri eine so lange Zeit unbeschadet überstanden hat. Das zeigen unsere Computersimulationen“, erklärt Martin Jutzi von der Uni Bern.
Stimmen die gegenwärtigen Modellvorstellungen von der Entstehung unseres Sonnensystems, so folgte auf eine ruhige Anfangsphase ein Zeitraum, in dem große Körper das System zu höheren Geschwindigkeiten und heftigeren Kollisionen anregten. Jutzi und seine Kollegen berechneten, wieviel Energie es brauchen würde, um eine Struktur wie diejenige von Tschuri bei einem Zusammenstoß zu zerstören.
Schwachstelle ist die Verbindung der beiden Teile – der Hals zwischen Kopf und Körper. „Wir haben herausgefunden, dass diese Struktur einfach kaputt gehen kann, sogar bei Einschlägen mit geringer Aufprallenergie“, fasst Jutzi zusammen. Die Analyse der Forscher zeigt, dass Kometen wie Tschuri im Laufe der Zeit eine wesentliche Anzahl Zusammenstöße erlebten, deren Energie jeweils ausgereicht hätte, um ihre zweiteilige Struktur zu zerstören. Die Struktur stammt also nicht aus der Urzeit, sondern hat sich durch Kollisionen über Jahrmilliarden entwickelt.
„Die heutige Kometenform ist demnach das Resultat des letzten größeren Einschlags, der vermutlich innerhalb der letzten Milliarde Jahren stattgefunden hat“, sagt Jutzi. Doch wie könnte der Zusammenstoß erfolgt sein, der Tschuri die jetzige Form gab? Auch das untersuchten Jutzi und Benz. In ihren Computermodellen ließen sie Brocken mit einem Durchmesser von zwei- bis vierhundert Metern auf einen etwa fünf Kilometer großen, rotierenden Körper von der Form eines Rugbyballes prallen.
Die Einschlaggeschwindigkeit lag im Bereich von zwei- bis dreihundert Metern pro Sekunde. Die involvierte Energie liegt aber noch weit unter derjenigen eines katastrophalen Aufpralls, bei dem ein großer Teil des Körpers pulverisiert wird. Das Resultat: Die Gesamtmasse wurde zunächst in zwei Teile auseinandergerissen, die Stunden später aufgrund der Wirkung der Schwerkraft zu einer Struktur mit zwei Teilen verschmolz – zu einem Gebilde wie Tschuri.
Widerspricht dieses Forschungsresultat der bisherigen Erkenntnis, dass Kometen aus ursprünglichem Material bestehen, das mindestens so alt wie unser Sonnensystem ist? Nein, meinen die Forscher. Denn ihre Computersimulationen zeigen, dass die relativ kleine Einschlagenergie den Kometen weder global erhitzt noch zusammendrückt. Das Material ist weiterhin porös und die darin seit Beginn enthaltenen flüchtigen Stoffe bleiben erhalten.
U. Bern / RK