Turbinen für die Energiewende
DLR und Siemens forschen an der nächsten Generation von Turbinen für Gaskraftwerke.
Große Turbinen in Gaskraftwerken zählen zu den leistungsfähigsten Maschinen für eine zuverlässige Energieversorgung. Für die Energiewende wird diese Technologie noch länger eine zentrale Rolle spielen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet deshalb gemeinsam mit dem Unternehmen Siemens daran, die nächste Generation von Turbinen zu entwickeln. Im Fokus stehen zwei Aspekte. Beide sind eng mit der nachhaltigen Umgestaltung unseres Energiesystems verbunden. Erstens: Wie lassen sich Kraftwerksturbinen auch in Teillast sicher und möglichst effizient betreiben? In naher Zukunft werden Gaskraftwerke zunehmend als Reserve dienen, weil sie sich schnell hochfahren lassen. So können sie kurzfristige Ausfälle bei der Stromproduktion aus erneuerbaren Ressourcen auffangen und Lastspitzen zuverlässig abdecken. Gaskraftwerke tragen damit zu einer stabilen und sicheren Stromversorgung in einem Energiesystem bei, das auf einem immer größeren Anteil an erneuerbaren und fluktuierenden Quellen wie Sonnen- und Windenergie beruht. Der zweite Aspekt: Wie verhalten sich Gasturbinen, wenn statt Erdgas alternative Kraftstoffe zum Einsatz kommen? Dazu zählen zum Beispiel Biogas, Synthesegas oder Wasserstoff als Beimischung von nahezu hundert Prozent.
Grob vereinfacht nutzen Gasturbinen die innere Energie eines heißen Gasgemisches, um Rotorschaufeln anzutreiben. Diese treiben einen Generator an, der Strom erzeugt. Bereits seit 2016 entwickelt das DLR-Institut für Antriebstechnik gemeinsam mit Siemens Energy eine in dieser Form einmalige Versuchsturbine. Diese wurde im November 2020 am DLR-Standort in Göttingen angeliefert und vom Team der Abteilung Turbine erfolgreich in einen eigens aufgebauten Prüfstand integriert.
Die Turbine ist ungefähr halb so groß wie das Original für den Einsatz in Kraftwerken und wiegt zwölf Tonnen. Das DLR ist eine der wenigen Einrichtungen auf der Welt, die Tests in dieser Größe überhaupt realitätsnah durchführen können. Es besitzt die entsprechende Prüfstands-Infrastruktur sowie das notwendige Know-how. Wichtig ist es dabei, dass der heiße Gasstrom im Inneren der Turbine transsonische Geschwindigkeiten besitzt. Nur so können zentrale technische Kenngrößen vergleichbar nachgestellt werden. Neben der richtigen, hohen Geschwindigkeit sind auch die Temperaturverhältnisse wichtig. Stimmen sie nicht, sind die Kühleffekte an den Schaufeln nicht aussagekräftig.
Auf etwa 1,5 Metern Länge verfügt die Versuchsturbine über gut tausend Messstellen. Zum Einsatz kommen Druckluft-Messsensoren, stationäre Drucktransmitter und optische Messverfahren. Letztere ermöglichen es, mit Hilfe von speziellen Lasern in die Strömung im Inneren der Turbine hineinzuschauen, ohne diese zu beeinflussen. Die gemessenen Daten geben einen Einblick, welche Temperaturen und Drücke an welcher Stelle herrschen, wie sich die Gasströme im Inneren verhalten und wie der Zustand der Schaufeln ist. Auch die möglichst präzise Bestimmung des Wirkungsgrads, der Strömungsverluste sowie die Analyse der Wärmeentwicklung und der Kühlungsprozesse ist Teil der messtechnischen Untersuchungen.
Besonders interessieren sich die Forscher dafür, wie sich die Kühlluft über die Schaufeln legt und wie sich dieser Prozess optimieren lässt. „Denn je mehr Kühlluft wir in der Turbine benötigen, desto geringer wird ihr Wirkungsgrad“, beschreibt Projektleiter Philipp Weggler den Zusammenhang. „Deshalb wollen wir mit Kühlluft so sparsam wie möglich umgehen. Gerade im Teillastbetrieb darf die Schaufel auch nicht überhitzen. Sonst verschleißt diese schneller und muss früher in aufwändigen Reparaturen ausgetauscht werden.“ Dazu tastet sich das Team in den Versuchen an die Grenzbereiche heran. Sie testen einerseits aus, wo diese beim Volllastbetrieb liegen und untersuchen andererseits auch den niedrigsten Teillastbetrieb von etwa zwanzig Prozent der Leistung. An diesem Arbeitspunkt bleiben üblicherweise im Kraftwerk alle Komponenten so temperiert, dass die Turbine flexibel und schnell wieder hochgefahren werden kann.
Außerdem wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie sich die einzelnen Stufen des Rotors zueinander verhalten. Die Versuchsturbine verfügt über einen 2,5-stufigen Rotor. Jede Stufe besteht aus Stator und Rotor, diese beiden Komponenten arbeiten im Team: Der Stator lenkt die Strömung um auf den Rotor und der Drall der Strömung wird im Rotor durch die entgegengesetzte Umlenkung in Turbinen-Arbeit umgesetzt. „Um möglichst gute Kühleffekte und damit hohe Wirkungsgrade zu erreichen, schauen wir ganz genau darauf, wie sich die Gasströme in der Turbine zwischen den Statoren und Rotoren verhalten, welche Wirbel und Turbulenzen dort gegebenenfalls entstehen und wie sich das alles gegenseitig beeinflusst“, erklärt Weggler. Nach mehreren umfangreichen Messkampagnen will sein Team im Herbst erste umfangreiche Datensätze erstellt haben. Diese gleichen sie dann mit den Simulationen am Computer ab. So kann der „digitale Zwilling“ der Versuchsturbine immer weiter verbessert und zukünftige Entwicklungen beschleunigt werden.
In Zukunft wollen sie außerdem genauer untersuchen, wie die Turbine reagiert, wenn Biogas, Synthesegase oder Erdgas-Wasserstoff-Gemische eingesetzt werden. Dabei verändern sich die Randbedingungen bei der Verbrennung. Dies wirkt sich auf den Betrieb der Turbine aus. Deshalb soll in Zukunft auch verstärkt das Zusammenspiel von Brennkammer und Turbine untersucht und mögliche Effizienzensteigerungen ermittelt werden: denn ein schonender Umgang mit wertvollen Ressourcen ist und bleibt von hoher Wichtigkeit.
DLR / RK
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