17.07.2017

Turbulente Spiralen

Neues Modell erklärt Bewegung von Gaswolken im Zentrum der Milchstraße.

Wie bewegt sich das Gas im Zentrum der Milchstraße? Mit einer umfassenden Computersimulation ist es Wissenschaftlern der Universität Heidelberg in Zusammen­arbeit mit Kollegen der University of Oxford gelungen, die Bewegung der Gaswolken nachzu­vollziehen. Das neue Modell macht es nunmehr möglich, die komplexe Gasbewegung schlüssig zu beschreiben. Durchgeführt wurden die Arbeiten von den Astrophysikern Mattia C. Sormani (Heidelberg) und Matthew Ridley (Oxford), auf Heidelberger Seite am Sonder­forschungs­bereich „Das Milch­straßen­system“ (SFB 881).

Abb.: Die Spiralstruktur mit den beiden Spiralarmen ist das Ergebnis der Simulation des Gasflusses im Zentrum der Galaxie. (Bild: M. Ridley)

Unser Sonnensystem befindet sich in der Randzone einer scheiben­förmigen Galaxie mit einem Durchmesser von rund 100.000 Lichtjahren, der Milch­straße. Von der Erde aus lässt sich ihr Aussehen daher nur indirekt beobachten, indem Positionen und Bewegungen von Sternen und Gaswolken gemessen werden. Sehr wahrscheinlich ähnelt die Milchstraße einer sogenannten Balken­spiral­galaxie, einem sehr häufig beobachteten Typ von Galaxie im Universum. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Galaxie M61.

Neben den sichtbaren Sternen befinden sich in der Milchstraße große Mengen inter­stellaren Gases, dessen Verteilung und Bewegung äußerst komplex ist. Vor allem im Zentrum findet sich ein Miss­verhältnis zwischen der Menge des vorhandenen Gases und einer geringen Aktivität der Stern­entstehung. „Mit unserer Simulation können wir nicht nur diese Diskrepanzen vorher­gehender Modelle aufheben, sondern auch die tatsächlich beobachtete Bewegung des Gases erstaunlich gut wiedergeben“, so Ralf S. Klessen, der am Institut für theoretische Astro­physik am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) forscht.

In dem neuen Modell bewegen sich die Gaswolken in der Zentralen Molekularen Zone (CMZ) – die innersten 1.500 Lichtjahre der Milchstraße – auf einer ellipsen­förmigen Scheibe, die zwei Spiralarme hat. Das Gas aus der Umgebung strömt durch diese beiden Arme in die CMZ. Kollisionen der Gaswolken erzeugen dabei Druckwellen, die Turbulenzen auslösen. „Diese Turbulenzen könnten die Entstehung neuer Sterne verhindern, indem sie das Kollabieren der Gaswolken unterbrechen. Dies würde eine konsistente Erklärung für die bislang unerklärbar geringe Stern­entstehungs­rate in dieser Region liefern“, sagt Sormani.

Durch ihre Computersimulation konnten die Wissenschaftler ein räumliches Bild vom Zentrum der Galaxis erstellen und die Position einiger bekannter Gaswolken erstmals innerhalb dieser drei­dimensionalen Karte bestimmen. Die Astro­physiker planen nun, ihre Simulation weiter zu optimieren, um ihre Ergebnisse noch besser an die Beobachtungen anzupassen. Sie wollen außerdem weitere Unklarheiten wie die ausgeprägte Asymmetrie der Gasverteilung in der zentralen Region der Milchstraße klären. Weiterführende Simulationen, die die zeitliche Entwicklung der chemischen Zusammen­setzung des Gases verfolgen, sollen diesem Geheimnis auf den Grund gehen. „Wir gehen davon aus, dass diese Erkenntnisse einen wesentlichen Einfluss auf künftige Untersuchungen zum Aufbau unserer Galaxis haben werden“, betont Klessen.

U. Heidelberg / DE

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