01.03.2013

Turbulenzen in Titandioxid

Ultrakurzzeitphysiker beobachten, welche Auswirkungen Elektronenverschiebungen im Kristall auf den gesamten Festkörper haben.

Das Wissen um die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie in atomaren Dimensionen gleicht einer Landkarte mit vielen weißen Flecken. Unzählige Phänomene harren hier ihrer Entdeckung. Einen neuen, bisher unbekannten Aspekt des Licht-Materie-Wechselspiels in Kristallen hat ein Team aus Ultrakurzzeitphysikern vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, der Technischen Universität München, dem Fritz-Haber-Institut in Berlin und der Universität Kassel mit Laserpulsen von wenigen Femtosekunden untersucht.

Abb.: Ein ultravioletter Lichtpuls trifft einen Titandioxid-Festkörper. Das Licht löst Verschiebungen von locker an Atome gebundenen Elektronen aus, wodurch sich die Ruheposition der Atome im Kristallgitter verschiebt. (Bild: T. Naeser)

Die Physiker schickten einen intensiven, ultravioletten Laserpuls mit einer Dauer von weniger als fünf Femtosekunden auf einen Titandioxid-Kristall. Dadurch gerieten die Valenzelektronen der Atome in Bewegung und erhitzten sich auf mehrere Tausend Grad Celsius. Eigenschaften eines Materials, wie etwa die elektrische Leitfähigkeit, die optischen Eigenschaften oder die Gitterstruktur, werden durch das permanente Wechselspiel zwischen der Position der Atomrümpfe und deren Valenzelektronen bestimmt.

Abb.: Ein extrem kurzer ultravioletter Lichtpuls von 5 Femtosekunden Dauer erzeugt heiße, angeregte Elektronen in Titandioxid. Dadurch ändert sich die räumliche Verteilung der Elektronen innerhalb des Gitters, was eine Verschiebung der Gitter-Potentialflächen, d.h. der Ruheposition der Atome, bewirkt (mittleres Bild). Die anschließende Abkühlung der Elektronen, die nach etwa 20 Femtosekunden abgeschlossen ist, verstärkt diesen Effekt noch weiter (rechtes Bild). Diese Kombination übt eine Kraft auf die Sauerstoffatome aus, die eine kohärente Schwingung des Kristalls bewirkt. (Bild: A. Paarmann)

Wenige Femtosekunden nach dem ersten Laserpuls schickten die Physiker einen zweiten, etwas schwächeren Puls auf den Kristall. Dieser wurde an der Oberfläche reflektiert und gab den Forschern dadurch Auskunft über die Veränderungen, die der erste Puls im Kristall hervorgerufen hatte: Das starke Licht des ersten Pulses erhitzte nicht nur die Valenzelektronen, es veränderte auch deren Position im Atomgitter. Die Elektronendichte wurde in der Umgebung der Sauerstoffkerne verringert und in der Umgebung der Titankerne erhöht. Die Verschiebung des Gleichgewichts bedeutete wiederum, dass sich die Ruheposition der Sauerstoffatome relativ zur Ruheposition der Titanatome verschob. Letztendlich begannen die Sauerstoff-Atomrümpfe zu schwingen.

Bei den Experimenten beobachteten die Physiker einen überraschenden Effekt: Nach der Lichtanregung kühlten die Elektronen innerhalb von rund 20 Femtosekunden auf Raumtemperatur ab. Der Kristall wurde während dieser kurzen Zeit nur minimal erwärmt. Die räumliche Verteilung der Valenzelektronen jedoch veränderte sich markant. Als Konsequenz daraus verschob sich auch die Ruheposition der Atome im Kristallgitter noch um ein ganzes Stück weiter. Eine solche Abhängigkeit der Kristallstruktur von der Temperatur angeregter Elektronen war schon lange theoretisch vorhergesagt. Nun gelang der experimentelle Nachweis. Das Ergebnis zeigt, dass der Gleichgewichtszustand des Festkörpers auch auf kleine Änderungen der Elektronenverteilung extrem stark reagiert. Dieses Wissen könnte später beim Design neuer Materialien von großem Nutzen sein.

MPQ / PH

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