15.08.2014

Über vier Billionen Bilder pro Sekunde

Neues Prinzip für Hochgeschwindigkeitskamera ermöglicht Beobachtung von Plasma-Dynamik und Gitterschwingungen.

Je mehr Bilder eine Kamera pro Sekunde schießt, desto schnellere Prozesse lassen sich zeitlich auflösen und analysieren. „Pump-und-Probe“-Methoden liefern dank kurz gepulster Laser die derzeit schnellsten Einblicke in physikalische Phänomene. Doch für eine zweidimensionale Bildgebung müssen diese Messungen mehrmals an möglichst identischen Systemen wiederholt werden. Ohne solche Wiederholungen kommt die derzeit wohl schnellste Hochgeschwindigkeitskamera aus, mit der japanische Wissenschaftler erstmals eine Taktrate von über vier Billionen Bildern pro Sekunde erreichten. Ebenfalls mit Laserpulsen liefert sie komplette Bilder mit einer Auflösung von 450 auf 450 Bildpunkten. Damit konnten die Forscher in ihren Versuchen bereits Gitterschwingungen und Verdampfungsprozesse detailgenau festhalten.

Abb.: Blick auf die Hochgeschwindigkeits-Kamera mit einer mittig angeordneten Glasscheibe, von der ein Laser eine dünne Oberflächenschicht verdampfte. (Bild: K. Goda)

„Diese schnellste Kamera der Welt verspricht neue Einblicke in chemische Reaktionen, Wärmetransport oder Ultraschall-Untersuchungen“, sagt Keisuke Goda von der chemischen Fakultät der University of Tokyo. Zusammen mit Kollegen der Keio University in Kanagawa erreichte das Team um Goda die Rekordgeschwindigkeit mit einem Prinzip, das sie „Motion Picture Femtophotography“ tauften. Der Prototyp ihrer Hochgeschwindigkeitskamera – kurz STAMP (engl. Sequentially timed all-optical mapping photography) bestand dabei aus einem komplexen Aufbau, der sich etwa über einen Quadratmeter eines optisches Tisches erstreckte.

Als Lichtquelle diente Goda und Kollegen ein Titan-Saphir-Laser, der Femtosekunden-Pulse mit einer Wellenlänge von 810 Nanometer bei einer spektralen Bandbreite von etwa 20 Nanometern aussendete. Geleitet durch ein optisches Medium – wahlweise ein Glasstab, ein Prismenpaar oder eine Glasfaser – streckten sie den Lichtpuls entsprechend der Wellenlängen-abhängigen Geschwindigkeit. Über eine geschickte Anordnung von Strahlteilern, Spiegeln und Diffraktionsgitter erhielten sie einzelne Teilpulse, die in kurzen Intervallen zwischen229 Femtosekunden und 15 Pikosekunden auf eine zu untersuchende Probe trafen. Parallel regulierten sie die Intensität jedes Teilpulses auf einen normierten Wert.

Abb.: Prinzip der Kamera: Die Aufnahme einer Phononen-Front (unten) per Laserpuls funktioniert vergleichbar mit der Bildung einer Wasserwelle nach einem Steinwurf. (Bild: K. Goda)

Diesen Schwarm von zeitlich leicht versetzten Teilpulsen lenkten sie auf ihre Probe. Um die hohe zeitliche Auflösung demonstrieren zu können, wählten sie dafür verschiedene dynamische Prozesse wie die Laserablation einer Glasoberfläche oder ein in Schwingungen versetztes Kristallgitter. Die von diesen Prozessen veränderten Lichtpulse mussten sie danach für eine Bildgebung auf einen digitalen Fotosensor lenken. Doch diese reagieren eigentlich zu langsam, um jeden einzelnen Teilpuls zuverlässig registrieren zu können. Daher nutzten sie für jeden Teilpuls nur einen Teil des Bildchips, indem sie über eine periskopartige Spiegelanordnung die Teilpulse auf benachbarte Bereiche des Bildchips lenkten.

Im Computer ausgewertet ergaben sich so Filmaufnahmen mit Taktraten von einer bis 4,4 Billionen Bildern pro Sekunde. Bei der Laserablation konnten sie deutlich die Bildung und Ausbreitung einer winzigen Rauchfahne oberhalb der Glasfläche im Bild festhalten. Ebenso ließ sich die Dynamik der Phononen-Front bei dem in Schwingung versetzten Kristallgitter beobachten. Mit diesem Kamera-Prinzip halten Goda und Kollegen es sogar für möglich, die Dynamik von Wärmephänomenen, die ein Sechstel der Lichtgeschwindigkeit erreichen, filmen zu können.

In weiteren Schritten wollen die Forscher ihre Hochgeschwindigkeits-Kamera noch kompakter gestalten und auch Laser nutzen, die Lichtpulse nicht nur im sichtbaren Spektrum, sondern oder auch im Röntgen- und Terahertz-Bereich aussenden. Sollten diese Versuch erfolgreich verlaufen, könnte die „Femtofotografie“ genauere Einblicke in viele schnelle Prozesse in der Grundlagen- oder Materialforschung liefern. Auch die genauere Analyse biologischer Vorgänge halten sie nicht für ausgeschlossen.

Jan Oliver Löfken

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