15.10.2015

Überraschend aktiver Zwergplanet

Erste Ergebnisse der Mission New Horizons: Pluto zeigt sich vielfältiger und veränderlicher als erwartet.

Am 14. Juli dieses Jahres raste die US-amerikanische Sonde New Horizons mit einer Geschwindigkeit von fast 50.000 Kilometern pro Stunde am Zwergplaneten Pluto vorbei: das erste – und auf absehbare Zeit einzige – Raumfahrzeug, das den fernen Himmelskörper besucht hat. Mit einer ganzen Batterie von Messinstrumenten und Kameras hat New Horizons Pluto bei diesem Rendezvous untersucht und die Daten zunächst an Bord zwischengespeichert. Denn durch die große Entfernung beträgt die Übertragungsrate lediglich ein Kilobit pro Sekunde und die Signale brauchen viereinhalb Stunden bis zur Erde. Fast ein Jahr wird es deshalb dauern, bis alle Daten des Vorbeiflugs auf der Erde angekommen sind.

Abb.: Zwergplanet Pluto, aufgenommen von der Raumsonde New Horizons. Rechts auf der Oberfläche die herzförmige Ebene Sputnik Planum. (Bild: NASA / JHUAPL / SwRI)

Schon die ersten Bilder ließen erahnen, dass der Zwergplanet einige Überraschungen für die Wissenschaftler parat hat. Die jetzt vom Forscherteam um Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder im US-Bundestaat Colorado veröffentlichten ersten Ergebnisse bestätigen diesen Eindruck: Pluto zeigt sich vielfältiger und aktiver als vermutet. Die Oberfläche des Zwergplaneten zeigt höchst unterschiedliche Landschaftsformen von flachen Ebenen bis zu Gebirgszügen, die sich nicht nur bezüglich Bodenbeschaffenheit und chemischer Zusammensetzung, sondern auch altersmäßig deutlich unterscheiden. Insbesondere die unterschiedlichen Kraterdichten deuten auf wiederholte Erneuerungen der Oberfläche noch innerhalb der vergangenen hundert Millionen Jahre, möglicherweise sogar bis in die Gegenwart hinein.

Der größte Teil von Pluto ist offenbar von einer Kruste aus Wasser-Eis bedeckt, das allerdings von anderen gefrorenen Substanzen wie Kohlenmonoxid, Stickstoff und Methan durchzogen ist. Die auffälligste Struktur auf der Oberfläche ist die mehrere hundert Kilometer große, herzförmige Ebene Sputnik Planum, eine fast glatte Fläche aus gefrorenem Stickstoff. Das nahezu völlige Fehlen von Einschlagkratern auf dieser Ebene deutet auf ein Alter von weniger als 100 Millionen Jahren. Die Forscher stehen vor einem Rätsel: Wo kommt der Stickstoff her und was hat ihn in Bewegung gesetzt? So wie es auf der Erde Magma-Plumes gibt, könnte es auf Pluto unter der Oberfläche einen großen Stickstoff-Plume geben, der im Sputnik Planum an die Oberfläche bricht.

Abb.: Am Rande der Ebene Sputnik Planum scheinen sich Teile der aus Wasser-Eis bestehenden Kruste wie Eisberge zu lösen – Ursache könnte aufsteigender flüssiger Stickstoff sein. (Bild: NASA / JHUAPL / SwRI)

Für eine wichtige Rolle des Stickstoffs sprechen auch die am Rande der Ebene sichtbaren Strukturen: Die Eis-Kruste wirkt hier zerrüttet, aufgebrochen in große Brocken, die teilweise wie Eisberge auf dem Stickstoff-See zu treiben scheinen. Möglicherweise steigt flüssiger Stickstoff aus dem Inneren durch Risse in der Kruste auf, bricht diese auf und führt so zur Entstehung der seltsamen Strukturen.

Überraschend für die Forscher sind auch die scharfkantigen, mehrere hundert Meter hohen Gebirgszüge in der so genannten Schlangenhaut-Region östlich des Sputnik Planum. Die Strukturen könnten sich bilden, so mutmaßen die Forscher, wenn gefrorene Stoffe wie Stickstoff, Kohlenmonoxid und Methan mit unterschiedlichen Raten in die dünne Atmosphäre Plutos sublimieren. Denkbar ist auch, dass Erosion durch Wind die bizarren Formen der Gebirgszüge geschaffen hat – allerdings ist die Lufthülle des Zwergplaneten dafür heute zu dünn. Doch vor mehreren Millionen Jahren könnte Pluto eine dichtere Atmosphäre, vergleichbar mit jener des Planeten Mars, besessen haben, so Stern und seine Kollegen.

Mit 2374 Kilometern lieferte New Horizons den bislang genauesten Wert für den Durchmesser Plutos – der damit etwas kleiner ist als bislang angenommen. Und das hat Konsequenzen nicht nur für die Entstehungsgeschichte Plutos, sondern möglicherweise des ganzen Kuiper-Gürtels. Denn ein kleinerer Durchmesser bedeutet eine größere Dichte – und damit besitzt Pluto nun eine ähnliche Dichte wie sein größter Mond Charon. Wie die Erde und ihr Mond sind vermutlich auch Pluto und Charon durch den Zusammenstoß von zwei älteren Himmelskörpern entstanden – die dann aber ebenfalls ähnliche Dichten besessen haben müssen.

Das wäre ein großer Zufall – es sei denn, bei den Himmelskörpern des Kuiper-Gürtels hätte es sich ursprünglich um eine sehr homogene Population gehandelt. Die heute beobachteten Unterschiede zwischen den Körpern des Kuiper-Gürtels wären dann eine Folge ihrer individuellen Evolution. New Horizons selbst wird, so hoffen Stern und seine Kollegen, diese Frage in den kommenden Jahren beantworten. Noch im Oktober beginnt die Sonde mit einem Manöver zur Kursänderung, das ihr ein weiteres Rendezvous ermöglicht: Am 1. Januar 2019 soll sie an dem fünfzig Kilometer großen Kuiper-Objekt 2014 MU69 vorüber fliegen.

Rainer Kayser

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