18.09.2023

Überschall-Gasjet eines jungen Sterns

Bipolarer Gasjet HH 211 bewegt sich mit Über­schall­geschwindigkeit durch den interstellaren Raum.

Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren. Mit dem Welt­raum­teleskop James Webb (JWST) hat ein inter­nationales Astronomen­team, dem auch Forschende des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) angehören, ein spektakuläres Bild von HH 211 aufgenommen, einem bipolaren Gasjet, der sich mit Über­schall­geschwindigkeit durch den interstellaren Raum bewegt. Das etwa 1.000 Lichtjahre von der Erde entfernte Objekt im Sternbild Perseus ist einer der jüngsten und nächstgelegenen Gasströme eines Protosterns und damit ein ideales Ziel für das JWST.


Herbig-Haro 211 (HH 211), ein bipolarer Jet, bewegt sich mit...
Herbig-Haro 211 (HH 211), ein bipolarer Jet, bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit durch den interstellaren Raum im Sternbild Perseus.
Quelle: Webb, ESA / NASA / CSA / T. Ray

Herbig-Haro-Objekte umgeben neugeborene Sterne und entstehen, wenn Sternwinde oder Gasströme, die von diesen neugeborenen Sternen ausgehen, Stoßwellen bilden, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit mit Gas und Staub in der Nähe zusammenstoßen. Eine neue JWST-Aufnahme von HH 211 zeigt den Ausstrom eines Protosterns der Klasse 0, eines frühen Gegenstücks zu unserer Sonne, das erst einige zehntausend Jahre alt ist und nur acht Prozent der Masse der heutigen Sonne hat. Protosterne haben noch nicht das Stadium der Kernfusion erreicht.

Infrarot­aufnahmen sind bei der Untersuchung neugeborener Sterne und ihrer Ausströmungen sehr hilfreich, da solche Sterne immer noch in die Gaswolke eingebettet sind, aus der sie entstanden sind. Die Infrarot­strahlung der Ströme durchdringt das trübende Gas und den Staub und macht ein Herbig-Haro-Objekt wie HH 211 ideal für die Beobachtung mit den empfindlichen Infrarot­instrumenten des JWST. Moleküle, die durch die turbulenten Bedingungen angeregt werden, darunter molekularer Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Silizium­monoxid, emittieren infrarotes Licht, das JWST erfassen kann, um die Struktur der Ausströmungen zu kartieren.

Das Bild zeigt eine Reihe von Bugstoßwellen, also durch Gas­kollisionen ausgelöste Strahlung, im Süd­osten und Nordwesten sowie den eingebetteten schmalen bipolaren Jet, der sie antreibt, in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit – eine etwa fünf- bis zehnmal höhere räumliche Auf­lösung als alle bisherigen Bilder von HH 211. Diese Serie von angeregten Stoßwellen deutet auf eine epi­soden­hafte Frei­setzung von Gas hin, die in direktem Zu­sammen­hang mit dem Wachs­tum des Proto­sterns durch einfallenden Staub und Gas steht.

Der innere Jet wackelt spiegel­symmetrisch auf beiden Seiten des zentralen Protosterns. Dies stimmt mit Beobachtungen auf kleineren Größenordnungen überein und deutet darauf hin, dass es sich bei dem Protostern tatsächlich um einen unaufgelösten Doppelstern handeln könnte. „Solche Beobachtungen mit dem JWST liefern nicht nur atem­beraubende Bilder. Sie geben uns auch ein Werk­zeug in die Hand, mit dem wir die Ent­wicklung der direkten Vorgänger von Sternen in noch nie dagewesener Detail­genauigkeit untersuchen können“, sagt Thomas Henning, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg. „Damit liefern die Beobachtungen unschätzbare Informationen für unser Verständnis der Sternentstehung.“

Frühere Beobachtungen von HH 211 mit boden­gebundenen Teleskopen zeigten Gasbewegungen entlang des Ausflusses, indem sie eine Wellenlängenverschiebung der emittierten Strahlung maßen. Nun fand das team riesige rotverschobene und blauverschobene Bugstoßwellen und hohlraum­artige Strukturen im Licht des angeregten Wasserstoffs bzw. Kohlenmonoxids sowie einen knotenreichen und schlängelnden doppelseitigen Jet im Licht des Silizium­monoxids. Mit diesen neuen Beobachtungen mit NIRCam und NIRSpec an Bord des JWST fanden die Forschenden heraus, dass der Gasstrom des Objekts im Vergleich zu ähnlichen, aber weiter entwickelten Protosternen, relativ langsam ist.

Das Team maß die Geschwindigkeit der innersten Jetstrukturen auf etwa achtzig bis einhundert Kilometer pro Sekunde. Der Geschwindigkeits­unterschied zwischen diesen Abschnitten des Ausflusses und dem vorge­lagerten Material, mit dem sie kollidieren – die Geschwindigkeit der Stoßwelle – ist jedoch viel geringer. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Ausströmungen der jüngsten Sterne, wie die im Zentrum von HH 211, hauptsächlich aus Molekülen bestehen, da die Stoßwellen­geschwindigkeiten vergleichsweise niedrig sind und die Energie nicht ausreicht, um die Moleküle in einfachere Atome und Ionen aufzuspalten.

MPIA / JOL

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