19.10.2018

Ultrakalte Atome im Raketen-Labor

Erste Ergebnisse der komplexen Raketen­mission MAIUS-1.

Anfang 2017 hat ein Forschungs­verbund unter Feder­führung der Uni Hannover die Forschungs­rakete MAIUS-1 ins All geschossen. Während des Fluges unter­suchten die Wissen­schaftler in mehr als hundert Experi­menten das Ver­halten von Materie­wellen und erst­mals auch von Bose-Einstein-Konden­saten im Weltall. Jetzt präsen­tieren die Forscher erste Ergeb­nisse der Mission. Sie berichten über die Erzeu­gung und Beob­ach­tung der Bose-Einstein-Konden­sa­tion, einem extremen Zustand nahe dem Tempe­ratur-Null­punkt, in dem Materie eine Welle formt.

Abb.: Die MAIUS-1-Rakete in der Start­vor­richtung im Raum­fahrt­zentrum Esrange in Nord­schweden. (Bild: S. T. Seidel, LUH)

„Das ist uns sogar mit einer größeren Anzahl von Atomen gelungen, als wir zuvor erwartet hatten“, sagt Maike Lach­mann von der Uni Hannover. Sie ist Teil des Teams, das die kompli­zierten Experi­mente geplant und durch­ge­führt hat. Die hohe Teil­chen­zahl wie auch die hohe Anzahl an Experi­menten gelang mit Hilfe eines Atom­chips. Neben der Erzeu­gung des Bose-Einstein-Kondensats haben die Wissen­schaftler mit seiner Hilfe die ent­stehenden Materie­wellen geführt, geformt und ihr Ver­halten im freien Fall studiert. Im All konnten diese Experi­mente unge­stört von der Schwer­kraft durch­ge­führt und anschlie­ßend mit theore­tischen Modellen ver­glichen werden. Mit den Modellen können nun Strate­gien ent­wickelt werden, um zukünf­tige Welt­raum­experi­mente am Boden schneller und besser vor­zu­bereiten.

Erst ein Bruchteil der Ergeb­nisse ist bisher aus­ge­wertet. Ein Fokus liegt jetzt auf den Experi­menten zur Inter­fero­metrie der Materie­wellen. Inter­fero­meter mit Bose-Einstein-Konden­saten im All gelten gegen­wärtig als der viel­ver­sprechend­ste Ansatz für Messungen mit un­er­reichter Genauig­keit, da die Empfind­lich­keit der Messung mit der Dauer des freien Falls steigt. Damit werden zu­künftig beispiels­weise die sehr präzise Ver­mes­sung des Gravi­ta­tions­felds der Erde oder die Ent­wick­lung genau­erer und sate­lliten­unab­hängiger Navi­ga­tions­geräte möglich. Aber auch grund­legende Fragen der Physik, etwa zur Rela­ti­vitäts­theorie, wollen die Forscher über­prüfen.

Bislang galt das aufgrund der Kom­ple­xität der Experi­mente und der bei einem Raketen­start und im All herr­schenden extremen Anfor­de­rungen als nicht durch­führ­bar. „Diese Missionen stoßen daher auch auf sehr viel Skepsis. Selbst die meisten Experten bezwei­felten, dass unser Ansatz reali­sier­bar wäre“, erinnert sich Projekt­leiter Ernst Rasel. Dem Team ist es jedoch mit Hilfe des Atom­chips gelungen, den ur­sprüng­lich raum­großen Ver­suchs­auf­bau so zu minia­turi­sieren, dass er in die Forschungs­rakete passte.

Die Ergebnisse der Experimente sind auch für die ameri­ka­nische Raum­fahrt­behörde NASA von Inte­resse. Sie hat im Mai das Cold Atom Lab auf die Inter­natio­nale Raum­station ISS gebracht, um dort ähn­liche Experi­mente durch­zu­führen. „Das NASA-Team ist sehr inte­res­siert an unseren Erfah­rungen. Wir freuen uns über die Zusammen­arbeit“, erläutert Rasel. Die Koopera­tion soll noch aus­ge­baut werden. In einem gemein­samen Projekt, welches auf den Erfah­rungen der MAIUS-Mission und des Cold Atom Lab aufbaut, sollen ultra­kalte Atome und Bose-Einstein-Konden­sate auf der ISS in Lang­zeit­ver­suchen erforscht werden.

Die neuen Anwendungsaspekte der Atom­chips sind aber nicht nur für den Welt­raum attrak­tiv: Mittler­weile öffnen sich auch viele, die vorher skeptisch waren, dem Ein­satz von Atom­chips und Bose-Einstein-Konden­saten für die Inter­fero­metrie für die Quanten­sensorik. Letztere sind ein wich­tiger Bau­stein für Zukunfts­techno­logien, wie etwa die Erd­beob­ach­tung mit Hilfe von Quanten­gravi­metern oder Gyro­skopen.

LUH / RK

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