Ultrakurze Röntgenlaserpulse erstmals exakt vermessen
Grundstein für eine optimale Nutzung von Freie-Elektronen-Lasern gelegt.
Der wissenschaftliche Wert eines Röntgenlasers steht und fällt mit der Qualität der von ihm produzierten ultrakurzen Röntgenpulse, mit denen die Forscher ihre Untersuchungsobjekte beleuchten. Ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftlern des Paul Scherrer Instituts PSI hat nun diese Pulse erstmals exakt vermessen.
Abb.: Simon Rutishauser baut Phasen- und Absorptionsgitter in den Gitterinterferometeraufbau ein. (Bild: PSI/M. Fischer)
Die Forscher um Simon Rutishauser und seinen Gruppenleiter Christian David vom PSI durften als erste Nutzer überhaupt ihre Experimente am ersten in Betrieb genommenen harten Röntgenlaser der Welt durchführen. Das LCLS im US-amerikanischen Stanford liefert seit 2010 Laserpulse von harter Röntgenstrahlung für ausgewählte Versuche. Die einzigartigen Eigenschaften solcher harten Röntgenlaser – kurze Wellenlängen im Bereich der Größe einzelner Atome, kombiniert mit einer ultrakurzen Pulsdauer im Bereich von 100 Femtosekunden und einer enorm hohen Intensität – erlauben viele neue, interessante Experimente in Biologie, Chemie und Physik.
Abb.: Femtosekundenkurze Elektronenpakete aus dem Beschleuniger werden im Undulator (rot/blau) auf eine Slalombahn gelenkt und erzeugen Röntgenlicht. Ablenkspiegel (hard x-ray offset mirrors; violett) deformieren die Röntgenpulse und leiten sie an die Experimentierstation weiter. Dort haben sie die Forscher mittels ihres Gitterinterferometers analysiert. Das Interferometer besteht aus einem Phasengitter (dunkelblau), einem Absorptionsgitter (hellgrün) und einem Detektor (Kamera, rechts; Bild: LCLS)
Die Qualität der Pulse in einem Röntgenlaser zu bewahren, stellt enorm hohe Anforderungen an die Röntgenspiegel, die die Pulse formen und auf die Experimentierstationen richten. Um sie unter experimentellen Bedingungen zu testen, bediente sich das Forscherteam des Prinzips der Gitterinterferometrie, einer am PSI entwickelten Technik, bei der der Lichtpuls durch mehrere sehr enge Gitter läuft. Die feinen Gittermuster werden mittels äusserst feiner Elektronenstrahlen auf einem Trägermaterial hergestellt; dadurch können die Gitterstrukturen auf wenige Nanometer genau positioniert werden. Dies wiederum macht eine mit anderen Instrumenten unerreichbare Genauigkeit der Winkelmessung von rund 0,5 millionstel Grad (10 Nanoradian) erst möglich.
Abb.: Ein Moirémuster, wie es die Kamera für einen einzelnen Röntgenpuls aufzeichnet. Es entsteht aus der Überlagerung der durch das Phasengitter abgelenkten (gebeugten) Röntgenstrahlen mit dem Absorptionsgitter. (Bild: PSI)
Ein zentrales Ergebnis der Beobachtungen mittels Gitterinterferometrie ist, dass die verwendeten Röntgenspiegel die Strahlung nicht unverändert ablenken, sondern unbeabsichtigt leicht bündeln, und zwar nur in horizontaler Richtung. Infolge dieser Verzerrung beeinträchtigen sie die Fokussierung der Röntgenstrahlung auf ein Untersuchungsobjekt. Auf die Spiegel kann man aber nicht verzichten, denn sie leiten die benötigten Röntgenstrahlen zu den Experimentierstationen und filtern dabei die unerwünschte, aber unvermeidbar mitanfallende Gammastrahlung heraus.
Auf Basis der neuen Ergebnisse lassen sich die Röntgenspiegel anpassen, um den abträgliche Effekt der einseitigen Fokussierung zu kompensieren und die volle Leistung des Röntgenlasers auszuschöpfen. Des Weiteren wurden auch komplexere Deformationen der Wellenfront beobachtet, die die Größe des Brennpunktes nur leicht verändern, die aber von Puls zu Puls schwanken. Derartige Variationen in Intensität und Phase der Röntgenstrahlen wirken sich auch auf die Messdaten aus, etwa solche aus Experimenten zur Strukturbestimmung eines biologischen Moleküls. In derartigen Experimenten werden mit mehreren Röntgenpulsen Daten gesammelt und dann gemittelt. Verlässlich ist der Mittelwert aber nur unter der Annahme, die Eigenschaften der Röntgenstrahlen seien von einem Puls zum nächsten gleich. Gibt es jedoch Schwankungen zwischen den Pulsen, wie hier beobachtet, können Messungen mit Gitterinterferometrie Abhilfe schaffen. Man würde nämlich erst die Form jedes einzelnen Pulses messen und die gemessenen Schwankungen bei der Berechnung des Mittelwerts berücksichtigen.
Abb.: Querschnitt durch ein Phasengitter aus Silizium. Es besteht aus hochpräzise in einem Schachbrettmuster angeordneten zwei Mikrometer großen Löchern. (Bild: PSI)
Die Undulatoren an der LCLS erstrecken sich über 130 Meter, und es ist zunächst nicht klar, wo genau sich die Lichtquelle befindet, also der Punkt, an dem die Elektronen die Röntgenpulse abstrahlen. Den Forschern gelang es nun erstmals, die exakte Position des Quellpunktes für jeden einzelnen Röntgenpuls experimentell zu bestimmen. Dies erforderte feinste Präzisionsarbeit, denn sie bedienten sich dabei nur der Messungen an einem winzigen Lichtfleck. Die Röntgenpulse haben nämlich an der Experimentierstation, die etwa 200 Meter von der Quelle entfernt ist, einen Durchmesser von nur 0,5 Millimeter. Die experimentelle Bestimmung der Position des Quellpunktes im 130 Meter langen Laser sowie ihrer Verschiebung von einem Puls zum nächsten ist von großem Interesse, war dies doch bisher nur näherungsweise aus Simulationen bekannt.
Den Forschern gelang auch die Ortung der Quellpunktposition als Funktion von Beschleunigereinstellungen. Das soll in Zukunft zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit des Röntgenlasers führen. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sich diese am PSI entwickelte Technik bald zu einer Standardmethode an Röntgenlasern etabliert.
PSI / OD