Ultraschneller Magnetismus
Elektron-Phonon-Wechselwirkungen an BESSY II analysiert.
Wie schnell kann ein Magnet seine Ausrichtung ändern und was sind die mikroskopischen Mechanismen? Diese Fragen sind für die Entwicklung von Datenspeichern und Computerchips von größter Bedeutung. Jetzt ist es einem HZB-Team am BESSY II erstmals gelungen, den wichtigsten mikroskopischen Prozess des ultraschnellen Magnetismus experimentell zu beobachten. Die zu diesem Zweck entwickelte Methodik kann auch zur Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Spins und Gitterschwingungen in Graphen, Supraleitern oder anderen Materialien verwendet werden.
Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Phononen gelten als die treibende Kraft hinter ultraschnellen Magnetisierungs- oder Entmagnetisierungsprozessen, den Spin-Flips. Bisher war es jedoch aufgrund des Fehlens geeigneter Methoden nicht möglich, solche ultraschnellen Prozesse im Detail zu beobachten. Jetzt hat ein Team um Alexander Föhlisch eine neuartige Methode entwickelt, um erstmals die Spin-Flip-Streurate, die durch Elektron-Phonon-Wechselwirkungen getrieben wird, in zwei Modellsystemen experimentell zu bestimmen: in ferromagnetischem Nickel und nichtmagnetischem Kupfer.
Dazu wurde die Röntgen-Emissionsspektroskopie bei BESSY II eingesetzt. Röntgenstrahlung regt dabei zunächst Elektronen in den Proben an, so dass Löcher entstehen, die durch Valenzelektronen gefüllt werden können. Wenn Valenzelektronen diese Plätze besetzen, geben sie Licht ab und diese Emission kann dann analysiert werden. Die Proben wurden bei verschiedenen Temperaturen gemessen, um die Auswirkungen der zunehmenden Gitterschwingungen zu beobachten.
Mit steigender Temperatur zeigte ferromagnetisches Nickel einen starken Rückgang der Emissionen. Diese Beobachtung passt gut zu der theoretischen Simulation von Prozessen in der elektronischen Bandstruktur von Nickel nach Anregungen: Durch die Erhöhung der Temperatur und damit der Phononenpopulation steigt die Streurate zwischen Elektronen und Phononen. Gestreute Elektronen stehen für den Zerfall nicht mehr zur Verfügung, was zu einer Abnahme der Lichtemission führt. Wie erwartet, hatten beim diamagnetischen Kupfer die Gitterschwingungen kaum Einfluss auf die gemessenen Emissionen.
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Decker et al.: Measuring the atomic spin-flip scattering rate by x-ray emission spectroscopy, Sci. Rep. 9, 8977 (2019); DOI: 10.1038/s41598-019-45242-8 - Institut Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung (A. Föhlisch), Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH