Umkehr des Erdmagnetfelds vertagt
Südatlantische Anomalie ist offenbar kein Vorbote einer Polumkehr.
Das Erdmagnetfeld schützt unseren Lebensraum vor Strahlung aus dem Weltraum, insbesondere vor dem Strom geladener Teilchen des Sonnenwinds. Seit Beginn der systematischen Messungen im Jahre 1840 nimmt die globale Stärke des Magnetfelds um rund fünf Prozent pro Jahrhundert ab. Über dem südlichen Atlantik und Südamerika bildete sich seitdem eine ausgeprägte Schwächezone, die als südatlantische Anomalie bezeichnet wird. Forscher diskutieren kontrovers, ob sie ein Anzeichen für eine beginnende magnetische Polumkehr ist. Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungszentrums GFZ in Potsdam und der Universitäten von Island, Liverpool und Nantes zeigen nun jedoch anhand der Rekonstruktion des Erdmagnetfelds der Vergangenheit, dass die südatlantische Anomalie vermutlich kein Vorbote einer Polumkehr ist.
Abb.: Gehäuftes Auftreten strahlungsbedingter technischer Störungen der Swarm-Satelliten (weiße Punkte) im Bereich der Südatlantischen Anomalie zwischen April 2014 und Juni 2017. (Bild: I. Michaelis, GFZ)
Im Bereich der südatlantischen Anomalie ist das Erdmagnetfeld deutlich schwächer als in vergleichbaren Breiten in anderen Regionen auf dem Globus. Der Schutz vor Strahlung aus dem Weltraum ist hier entsprechend abgeschwächt. Das führt beispielsweise dazu, dass über dieser Region häufiger als andernorts Satellitenausfälle beobachtet werden und Passagiere auf Langstreckenflügen erhöhten Strahlungsdosen ausgesetzt sind. Umkehrungen des Magnetfelds sind ein häufiges Phänomen der Erdgeschichte. Der Prozess einer Umkehr der Polarität des Erdmagnetfelds geht stets mit einer Phase sehr geringer Feldstärken einher, also einer Phase erhöhter Strahlungsdosen aus dem All. Wissenschaftler rekonstruieren Änderungen des Erdmagnetfelds der Vergangenheit basierend auf paläomagnetischen Messdaten aus Sedimentbohrkernen und vulkanischen Gesteinen, die über die ganze Erde verteilt sind.
Dabei speichern die im Gestein enthaltenen magnetischen Minerale wie Magnetit oder Hämatit die Ausrichtung und Stärke des Erdmagnetfelds zur Zeit ihrer Bildung. Für einen Zeitraum von 50.000 bis 30.000 Jahren vor heute gibt es besonders viele Daten, weshalb die Forscher für diesen Zeitraum die Änderungen im Erdmagnetfeld weltweit modellieren konnten. Für diesen Zeitraum ähnelte demnach die Verteilung der Intensität des Magnetfelds mindestens zwei Mal dem heutigen Feld, mit schwachen Werten über dem Südatlantik oder Südamerika. In beiden Fällen nahm die Feldstärke in diesen Schwächezonen nach einiger Zeit wieder zu und die Anomalien verschwanden, ohne dass es zu einer Polumkehr kam.
Vor 41.000 Jahren ereignete sich eine kurzfristige Polumkehr – eine magnetischen Exkursion. Sie wird nach ihrem Entdeckungsort als Laschamp-Exkursion bezeichnet. Zu dieser Zeit änderte das Erdmagnetfeld vermutlich für weniger als eintausend Jahre seine Polarität. Zu Beginn der Laschamp-Exkursion weist das Feld eine deutlich andere Verteilung von Schwächezonen auf als heute. „Aus unserer Betrachtung der vergangenen 50.000 Jahre schließen wir, dass die heutige südatlantische Anomalie nicht als Beginn einer Feldumkehr gedeutet werden kann“, sagt Monika Korte, Arbeitsgruppenleiterin in der GFZ-Sektion Geomagnetismus.
Auf Zeiten, die anders als der Beginn der Laschamp-Exkursion eine Verteilung von Schwächezonen zeigten, die der heutigen Verteilung ähneln, folgte offenbar keine Polumkehr und die Schwächezonen verschwanden wieder. Wie lange die heutige südatlantische Anomalie noch anhält, können die Wissenschaftler nicht sagen. Die Feldstärke könnte noch über einige Jahrhunderte weiter abnehmen. Die letzte Polumkehr hin zur heutigen Ausrichtung des Erdmagnetfelds fand vor 780.000 Jahren statt. Bevor sich das Magnetfeld erneut umkehrt, könnten noch Jahrtausende vergehen.
GFZ / JOL