13.10.2014

Und es reagiert doch!

Negativ geladenes Helium kann bei sehr tiefen Temperaturen chemische Prozesse eingehen.

Warum in die Ferne schweifen: Auch im Labor gibt es elementar Neues aufzuspüren. Den Innsbrucker Ionenphysikern um Paul Scheier gelang es, negativ geladenes Helium nahe am absoluten Nullpunkt so abzubremsen, dass es mit Fullerenen im Inneren von superflüssigen Heliumtröpfchen reagiert.

Abb.: Bildung von Dianionen in Helium (Bild: A. Mauracher et al., U. Innsbruck)

Helium minus hat man bereits 1939 massenspektrometrisch entdeckt. Diese negativ geladenen Atome leben nur wenige Mikrosekunden. 75 Jahre lang ging die Wissenschaft daher davon aus, dass die Anionen dieses Edelgases ein schneller, exotischer Ladungsträger sind und für chemische Prozesse nicht zur Verfügung stehen. Dass das Helium-Anion bei bestimmten Temperatur- und Druckverhältnissen „sehr wohl Chemie macht“, bewies Scheier nun erstmals.

Im jüngsten Experiment erzeugte die Innsbrucker Arbeitsgruppe von Scheier im Teamwork mit ihrem britischen Kollegen, Andrew M. Ellis vom Department of Chemistry der University of Leicester, in einer eigens entwickelten Apparatur negativ geladenes Helium bei minus 272,78 Grad Celsius in nanometergroßen Tröpfchen aus superflüssigem Helium, also in Ruhe. Dann ließ sie es mit Fullerenen reagieren. Bei dieser Reaktion nur 0,37 Grad über dem absoluten Nullpunkt wurden die Fußballmoleküle in den Helium-Nanotröpfchen eingeschlossen.

Durch den Transfer beider Helium-Elektronen zu den Fullerenen entstanden Dianionen, also zweifach negativ geladenes C60 und C70. „Diesen Zweielektronentransfer kann man sich fast wie ein sogenanntes Cooper-Paar bei der Supraleitung vorstellen“, erklärt Scheier im Ausblick auf eine mögliche Anwendung dieser Grundlagenforschungsergebnisse.

Dem Helium-Anion geht in der Physik bisher ein exotischer Ruf voraus. Der Grund: Dieses Atom hat zwei schwach gebundene Elektronen, aber eine innere Energie von über 19 Elektronenvolt. Es verfügt daher über mehr Energie als jedes Radikal und kann damit außer Neon alle Elemente des Periodensystems ionisieren.

U. Innsbruck / DE

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