Unerwartete Zusammenhänge in Neutronensternen
Neue gefundene Regeln liefern bessere Informationen über Verhalten der Materie unter extremen Bedingungen.
Neutronensterne lassen sich nicht allein durch ihre Masse und ihren Radius charakterisieren. Für eine vollständige Beschreibung ist auch eine Kenntnis ihrer Rotation, beschrieben durch das Trägheitsmoment I, und ihrer Deformierbarkeit, beschrieben durch die so genannte Love-Zahl und das Quadrupolmoment Q, nötig. Diese Größen hängen von der inneren Struktur des Sternenüberrests ab – und damit von unbekannter nuklearer Physik.
Abb.: Künstlerische Darstellung eines Neutronensterns. (Bild: NASA)
Denn wie sich Neutronen unter den extremen Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns verhalten, ist bislang unbekannt. Die Zustandsgleichung, also der Zusammenhang zwischen Energiedichte und Druck, definiert den inneren Aufbau, dieser wiederum bestimmt die von außen messbaren physikalischen Parameter des Neutronensterns. Prinzipiell sollte das auch umgekehrt funktionieren: Aus einer Messung der Parameter sollte der innere Aufbau und daraus die Zustandsgleichung ableitbar sein. In der Praxis scheitert diese Vorgehensweise jedoch daran, dass es so viele unabhängige Parameter gibt, dass zumeist nicht alle davon bekannt und dass selbst die messbaren Parameter nur ungenau bestimmt sind. Dadurch gibt es stets mehrere unterschiedliche Lösungen für den inneren Aufbau und die Zustandsgleichung, die mit den Beobachtungen verträglich sind.
Kent Yagi und Nicolás Yunes von der Montana State University in den USA sind bei der theoretischen Modellierung von Neutronensternen nun auf eine Überraschung gestoßen, die diese Mehrdeutigkeit stark einschränkt: Trägheitsmoment, Love-Zahl und Quadrupolmoment sind keineswegs unabhängig, sondern stehen in einer festen Relation zueinander. Wenn Astronomen also eine dieser drei Kenngrößen messen, können sie künftig die beiden anderen daraus berechnen. Eine Messung des Trägheitsmoments erlaubt beispielsweise sofort die Bestimmung der Deformierbarkeit und umgekehrt.
Wie die beiden Forscher betonen, sind mithilfe dieser „I-Love-Q“-Relation nicht nur Rückschlüsse auf das Verhalten der Materie unter extrem hoher Dichte möglich. Auch Überprüfungen der Relativitätstheorie im extremen Gravitationsfeld von Neutronensternen würden dadurch erleichtert. Und auch eine Unterscheidung zwischen Neutronensternen und Quarksternen sei nun möglich, da für beide unterschiedliche „I-Love-Q“-Relationen gelten. Quarksterne sind bislang rein hypothetische Gebilde: Bei extrem hoher Dichte könnten Neutronen sich in ihre Bestandteile, die so genannten Quarks, auflösen und so einen neuen Materiezustand erzeugen. Mit der von Yagi und Yunes gefundenen Regel können die Astronomen nun also prüfen, ob es solche exotischen Sternenüberreste tatsächlich gibt.
Rainer Kayser
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PH