12.12.2016

Universum enthält weniger Materie als gedacht

Verteilung der dunklen Materie mit Hilfe des schwachen Gravi­ta­tions­linsen­effekts beob­achtet.

Über wie viel Masse verfügt das Universum und wie verteilt sich die Materie im Raum? Diese Grund­fragen der Kosmo­logie sind ent­schei­dend für die Rekon­struk­tion der Prozesse seit dem Urknall vor rund 13,8 Milli­arden Jahren. Nach dem kosmo­lo­gischen Standard­modell dehnte sich das Uni­versum immer weiter aus und all­mäh­lich bildeten sich Struk­turen wie zum Beispiel Galaxien­haufen. Die heutige Ver­tei­lung der Materie im Welt­raum ist ein wich­tiger Anhalts­punkt dafür, wie sich das Uni­versum ent­wickelt hat. Mit unter­schied­lichen Methoden haben Forscher versucht, die Dichte der Materie im Uni­versum und ihre Ver­teilung zu bestimmen.

Verteilung der Materie im Kosmos: Helle Regionen besitzen die größte Massen­dichte, dunkle die geringste. Die unsicht­bare dunkle Materie ist in rosa wieder­ge­geben. (Bild: KiDS Collabo­ration / H. Hilde­brandt & B. Giblin / ESO)

Einen neuen Ansatz liefert nun ein internationales Team von Wissen­schaftlern. Mit Hilfe des VLT Survey Tele­scope der Europä­ischen Süd­stern­warte in Chile beob­ach­teten die Forscher rund 15 Millionen Galaxien am Himmel. „Dabei interes­sierte uns, in welche Richtung die Längs­achsen der Galaxien zeigen“, erläutert Hendrik Hilde­brandt vom Arge­lander-Institut für Astro­nomie der Uni Bonn. Bei den Millionen von Galaxien auf den aufge­nom­menen Bildern ist die ursprüng­liche Aus­rich­tung im Raum im Mittel rein zu­fällig. Gemes­sene Abwei­chungen von dieser Zufalls­ver­teilung sind auf den schwachen Gravi­ta­tions­linsen­effekt zurück­zu­führen. Dabei lenken große Massen das Licht leicht ab.

Anhand des Gravitationslinseneffekts lässt sich fest­stellen, wo sich größere Massen in Form von sicht­barer und dunkler Materie im Uni­versum befinden und das Licht ablenken. Kennt man den Grad der Ver­zerrung in einer bestimmten Region des Uni­versums, kann man auf die Größe der Massen zurück­schließen. Die Messungen führten die Wissen­schaftler für unter­schied­liche Regionen am Himmel durch und erstellten auf diese Weise eine Massen­vertei­lungs­karte, die Bereiche hoher und geringer Dichte ausweist.

Die Ergebnisse des Forscherteams sind überraschend: Im Vergleich zu früheren Resul­taten anderer Forschungs­gruppen enthält das Uni­versum weniger Materie als gedacht. „Die aktu­ellen Resul­tate zeigen, dass das kosmische Netz aus dunkler Materie, das rund vier Fünftel der Masse im Universum aus­macht, weniger stark struk­tu­riert ist als bis­lang geglaubt“, sagt Massimo Viola von der Uni Leiden in den Nieder­landen. Die Diskre­panz zwischen den Ergeb­nissen anderer und der aktu­ellen Massen­bestim­mungen könnte der Auf­takt für weitere wissen­schaft­liche Unter­suchungen sein. „Unsere Studie wird helfen, das theore­tische Modell von der Ent­wick­lung seit dem Urknall zu ver­feinern und unser Ver­ständnis vom modernen Uni­versum zu ver­bessern“, sagt Hilde­brandt.

RFWU / RK

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