17.09.2015

Unkritisches Uranprojekt

Forscher haben Proben des geheimen deutschen Uranprojekts im Zweiten Weltkrieg analysiert.

Die erste selbsterhaltende Kettenreaktion gelang Enrico Fermi 1942 in Chicago, gleichzeitig startete das amerikanische Manhattan-Projekt, das im Bau der Atombombe mündete. Auch in Deutschland bemühten sich die Physiker des „Uranvereins“ darum, die Kernenergie nutzbar zu machen – ob nur für zivile oder auch militärische Zwecke, ist immer noch ein viel diskutiertes Thema.

Werner Heisenberg forschte am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin mit Uran in Plattenform, während Kurt Diebner beim Heereswaffenamt Uran-Würfel verwendete. Später erkannte Heisenberg die Überlegenheit des Würfeldesigns. Das letzte Experiment unter seiner Leitung fand im März 1945 statt, nachdem ein Teil des Kaiser-Wilhelm-Instituts nach Haigerloch umgezogen war. Als Brennstoff dienten 1,5 Tonnen Natururan in Form von 664 „Heisenberg-Würfeln“.

Uran-Würfel aus dem deutschen Atomprojekt (Foto: Wiley-VCH)

Ein internationales Team, darunter Forscher des Instituts für Transurane in Karlsruhe und Kernchemiker der Universität Mainz, haben nun historische Uran-Proben aus Deutschland gründlich analysiert: eine pulverförmige Probe eines Heisenberg-Würfel, die das Bundesamt für Strahlenschutz zur Verfügung gestellt hatte, ein kleines Stück Metall eines Heisenberg-Würfel aus dem Atomkeller-Museum in Haigerloch und mehrere kleine Stückchen der so genannten Wirtz-Platte, die früheren Experimenten der Gruppe um Heisenberg und Karl Wirtz zugeschrieben wird, sowie einige Uran-Rohmaterialien.

Die neuen Untersuchungen lieferten die Mengenverhältnisse verschiedener Isotope, etwa von Uran-234 zu Thorium-230, seinem natürlichen Zerfallsprodukt, um zu bestimmen, wann das Material produziert wurde. Im Falle der Wirtz-Platte war dies 1940 und bei den Würfeln 1943/44. Diese Datierungen sind ein eindeutiger Beleg für die Echtheit der Proben. Die geografische Herkunft ließ sich anhand des Gehalts an Seltenen Erden sowie der Verhältnisse von Strontium-87 zu Strontium-86 ermitteln. Die unterschiedlichen Typen von Uranerz-Lagerstätten zeigen charakteristische Werte. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass das für die Würfel und die Platte verwendete Uran aus einer Mine in Joachimsthal (Tschechien) kam, nicht aber aus Lagerstätten im damaligen Belgisch-Kongo, wie auch vermutet wurde.

In allen Proben fanden sich Spuren von Uran-236 und Plutonium-239 in einer Menge, die ihrem natürlichen Vorkommen entspricht. Die Uran-Proben waren also keiner größeren Neutronenbestrahlung ausgesetzt worden und untermauern, dass bei den damaligen deutschen Versuchen keine selbsterhaltende nukleare Kettenreaktion erreicht wurden. Maßgebliche Gründe dafür waren die zu geringe Größe des Versuchsreaktors und fehlendes schweres Wasser, das als Moderator für die Neutronen diente.

Das Scheitern des deutschen Atomprojekts war im Endeffekt durchaus vorteilhaft, urteilte der Wissenschaftshistoriker Mark Walker 2005 in seiner Studie zur Kernwaffen- und Reaktorforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik. Heisenbergs Vermutung, der Reaktor sei selbstregulierend, verbunden mit seiner Erfolgsentschlossenheit, habe zu einer Vernachlässigung der Sicherheitsvorkehrungen geführt. Im Falle einer kritischen Phase wären die Wissenschaftler vermutlich starken Strahlungen ausgesetzt gewesen.

GDCh / Alexander Pawlak

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