Eine nachhaltige Energieversorgung verlangt zuverlässige Energiespeicher. So ist die Nachfrage nach wiederaufladbaren elektrochemischen Energiespeichern für stationäre und mobile Anwendungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen und wird zukünftig weiter wachsen. Wichtige Eigenschaften einer Batterie sind unter anderem ihre Speicherkapazität und ihre Zyklenfestigkeit, das heißt die Zahl der ohne Kapazitätsverlust möglichen Lade- und Entladevorgänge. Dabei verspricht eine völlig neue Klasse von Materialien, die Hochentropie-Oxide, kurz HEO, dank ihrer besonderen Stabilität wesentliche Verbesserungen. HEO eröffnen darüber hinaus die Möglichkeit, über eine Änderung ihrer Zusammensetzung elektrochemische Eigenschaften maßzuschneidern. Wissenschaftler um Horst Hahn vom Karlsruher Institut für Technologie, vom Helmholtz-Institut Ulm sowie vom Indian Institute of Technology Madras haben jetzt erstmals die Eignung von HEO als Konversionsmaterialien zur reversiblen Lithiumspeicherung gezeigt. Konversionsbatterien, die auf elektrochemischer Materialumwandlung basieren, erlauben eine Erhöhung der gespeicherten Energiemenge bei gleichzeitiger Verringerung des Batteriegewichts. Mit HEO fertigten die Wissenschaftler konversionsbasierte Elektroden, die mehr als fünfhundert Ladezyklen ohne signifianten Kapazitätsverlust überstehen.
Abb.: Das aktive Material, untersucht mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie und energiedispersiver Röntgenspektroskopie. (Bild: A. Sarkar et al. / Springer Nature)
Die besonderen Eigenschaften der HEO basieren auf Entropiestabilisierung. Darin sind sie mit den bereits bekannteren Hochentropie-Legierungen vergleichbar. Bei entropiestabilisierten HEO handelt es sich um komplexe Oxide, die fünf oder mehr verschiedene Metallkationen in gleicher Menge enthalten und eine einphasige Kristallstruktur aufweisen. Auch wenn die typischen Kristallstrukturen der einzelnen Elemente sich deutlich voneinander unterscheiden, bilden diese ein gemeinsames Gitter, wobei sie sich ohne erkennbare Ordnung auf die Positionen im Kristall verteilen. Diese hohe Entropie stabilisiert das Material, vermutlich unter anderem deshalb, weil sie das Wandern von Fehlern im Kristallgitter erschwert.
„Dank der hohen Stabilität, der Interaktionen zwischen den verschiedenen Metallkationen und der Vielzahl der denkbaren Elementkombinationen eröffnen HEO bisher ungeahnte neue Möglichkeiten“, erklärt Hahn. Die Studie konzentrierte sich auf HEO auf der Basis von Übergangsmetallen, die sich durch eine hohe Lithiumionen-Leitfähigkeit auszeichnen. Mithilfe der Transmissionselektronenmikroskopie untersuchten die Forscher die Struktur dieser HEO und ihren Einfluss auf die Konversionsreaktion. Sie stellten fest, dass die Entfernung nur eines Elements die Entropie herabsetzt und die Zyklenfestigkeit verschlechtert. Jedes einzelne Element wirkt sich individuell auf das elektrochemische Verhalten deser HEO aus, sodass sich die Materialien für verschiedene Anforderungen maßschneidern lassen. Mithin ergibt sich ein modularer Ansatz zur systematischen Entwicklung von Elektrodenmaterialien. „Unsere Studie hat gezeigt, dass entropiestabilisierte HEO sich deutlich von klassischen Konversionsmaterialien abheben“, erklärt Hahn. „Um ihr volles Potenzial für Energiespeicheranwendungen zu erschließen, bedarf es allerdings weiterer Forschungsarbeiten.“
KIT / RK