28.11.2025 • Astronomie

Unser Sonnensystem ist schneller als gedacht

Wie schnell und in welche Richtung bewegt sich unser Sonnensystem im Universum? Neue Beobachtungen fordern die Standardkosmologie heraus.

Um die Bewegung des Sonnensystems zu bestimmen, analysierte ein Team um Lukas Böhme von der Universität Bielefeld die Verteilung von Radiogalaxien am Himmel. Die Häufigkeit weist einen unerwartet starken Dipol auf. „Unsere Analyse zeigt, dass sich das Sonnensystem mehr als dreimal so schnell bewegt, wie es die aktuellen Modelle vorhersagen“, sagt Böhme. „Dieses Ergebnis widerspricht klar den Erwartungen aus der Standardkosmologie und zwingt uns, die bisherigen Annahmen zu überdenken.“

Lukas Böhme, Erstautor der Studie, vor dem Lovell-Teleskop im Jodrell-Bank-Radioobservatorium in England.
Lukas Böhme vor dem Lovell-Teleskop des Jodrell-Bank-Radioobservatoriums in England.
Quelle: privat / U Bielefeld

Wenn sich das Sonnen­system durch das Universum bewegt, wirkt diese Bewe­gung wie ein schwacher „Fahrt­wind“: In Bewegungs­richtung erscheinen minimal mehr Radio­galaxien. Der Unter­schied ist winzig und lässt sich nur mit sehr empfind­lichen Messungen erkennen. Mit Daten des Low Frequency Array (LOFAR), einem europa­weiten Radio­teleskop­netz, in Kombi­nation mit Daten von zwei weiteren Radio­teleskopen, konnten die Forschenden nun erstmals eine besonders präzise Zählung solcher Radio­galaxien durch­führen. Dabei setzten sie eine neue statis­tische Methode ein, die berücksichtigt, dass viele Radio­galaxien aus mehreren Komponenten bestehen. Diese verbes­serte Analyse lieferte zwar größere, aber auch realis­ti­schere Mess­fehler. Durch die Kombi­nation von drei Radio­teleskopen konnte trotzdem eine Abwei­chung von über fünf Sigma gemessen werden.

Die Messung zeigt eine Ungleichmäßigkeit in der Verteilung der Radio­galaxien, die 3,7-mal stärker ist als nach dem Standard­modell des Univer­sums zu erwarten wäre. Dieses Modell beschreibt die Entste­hung und Entwick­lung des Kosmos seit dem Urknall und geht von einer weit­gehend gleich­mäßigen Vertei­lung der Materie aus.

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„Wenn sich unser Sonnensystem tatsächlich so schnell bewegt, müssen wir grund­legende Annahmen über die großräumige Struktur des Universums hinter­fragen“, erklärt Dominik Schwarz, betei­ligter Kosmologie-Professor an der Univer­sität Biele­feld. „Alternativ könnte die Verteilung der Radio­galaxien selbst ungleich­mäßiger sein, als wir bisher dachten. In beiden Fällen stehen unsere bishe­rigen Modelle auf dem Prüfstand.“

Die neuen Ergebnisse bestätigen frühere Beobach­tungen, bei denen Forschende Quasare untersucht haben. Das sind extrem helle Zentren entfernter Galaxien, in denen super­masse­reiche Schwarze Löcher Materie herum­wirbeln und dabei enorme Energie­mengen aussenden. Auch in diesen Infrarot-Daten zeigte sich derselbe ungewöhn­liche Effekt. Das spricht dafür, dass es sich nicht um einen Mess­fehler handelt, sondern um ein echtes Merkmal des Universums. Die Studie unter­streicht, wie stark neue Beobach­tungs­methoden unser Verständnis des Universums verändern können und wie viel es im Kosmos noch zu entdecken gibt. [U Bielefeld / dre]

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