Unsichtbare Wächter
Sind Funkchips im Dienst der Konzerne oder der Verbraucher?
Unsichtbare Wächter
Dieser Beitrag besteht aus zwei Artikel über RFID-Systeme (Radio-Frequenz-Identifikation), die Chancen und Risiken dieser Technik beleuchten.
Schnüffelchips im Dienst der Konzerne oder der Verbraucher?
Computerchip soll Gepäckwaren finden und Produkte lenken
Schnüffelchips im Dienst der Konzerne oder der Verbraucher?
Berlin (dpa) - Funkchips sind unsichtbare Wächter. In Verpackungen, Bauteile, Karten oder gar Körpergewebe integriert, können sie eifrig Daten sammeln und vom Nutzer unbemerkt umhersenden. Während Unternehmen auf effizientere Produktion und Logistik hoffen, rufen Konsumentenvereinigungen zum Boykott der so genannten RFID- Systeme auf. Allzu leicht ließen sich mit den Chips exakte Daten zu Gewohnheiten und Eigenarten eines Menschen sammeln. «Wir sind jetzt schon gläserne Menschen, aber die Dimension wird mit der RFID-Technik noch einmal deutlich zunehmen», sagt Britta Oertel vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT).
Auf RFID (Radio-Frequenz-Identifikation) basierende Systeme bestehen aus einem Datenträger sowie einem Lesegerät und sollen etwa den Barcode ersetzen. Je nach Bauart lassen sich die Datenträger nicht nur ablesen, sondern auch verändern. Eingesetzt werden sollen die «intelligenten Etiketten» bei der Zutrittüberwachung von Unternehmen, Stadien und Räumen, der Steuerung industrieller Prozesse, der Kennzeichnung von Waren, Tieren und Menschen sowie in Ersatzteil- und Recyclingkreisläufen.
Unter Fachleuten ist umstritten, ob RFID-Systeme noch intensiver als bereits mit Kreditkarten, Kundenkarten und Mobiltelefonen geschehen die Privatsphäre zerstören. Experten des IZT und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) untersuchten daher im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik die Chancen und Risiken.
«Wie jede neue Technik hat auch diese zwei Seiten», zieht Oertel ein Fazit der Studie. So ermögliche beispielsweise die Markierung von Nutztieren mit RFID-Chips eine gläserne Produktionskette bis zur Ladentheke. Andererseits könnten Arbeitgeber die Technik dazu nutzen, Verhalten und Leistung ihrer Angestellten zu observieren. «Solche Daten werden gesammelt, auch wenn es verboten ist», ist Oertel überzeugt.
«In Skigebieten gibt es solche Funketiketten schon», sagt Oertel. «Der Vorteil ist, dass der Skipass nicht mehr aus mühsam aus den Taschen rausgepellt werden muss.» Oft dienten die Chips zusätzlich als Schlüssel fürs Hotel, als Sammelkarte für die Hotelbar-Rechnungen und als Busticket. Wer sich als Weinliebhaber oder Wellnessurlauber zu erkennen gebe, könne künftig laut Oertel nach seiner Reise mit Bergen gezielter Werbung «beglückt» werden.
In den USA werden die Schnüffelchips sogar Schwerkranken implantiert, um ihnen eine freiere Bewegung bei steter gesundheitlicher Überwachung zu ermöglichen. «RFIDs in Menschen sollte es grundsätzlich nicht geben. Da wurde eine Grenze überschritten», kritisiert Oertel.
Bei aller Kritik dürfe nicht vergessen werden, dass viele der sensiblen Informationen schon längst mit anderen Systemen gesammelt werden. So legten Besitzer von Kundenkarten gegen einen minimalen Preisvorteil ihre gesamten persönlichen Kaufinteressen offen, die von den Firmen Gewinn bringend ausgewertet würden. «Da erfolgt kein Aufschrei», rätselt Oertel. «Der Kunde ist sich gar nicht bewusst, was für eine gute Informationsquelle er schon ist.»
Risiken ergeben sich der Studie nach nicht nur durch die gigantischen Datensammlungen und die Missbrauchsmöglichkeiten, sondern auch die neue technische Abhängigkeit. «Stellen Sie sich mal Tausende Fußball-Fans vor, die wegen eines Chip-Versagens nicht ins Stadion kommen», sagt Oertel. Dass RFID-Hacker versuchen werden, die Chips zu manipulieren, hält sie für sehr wahrscheinlich. «Das wäre für viele eine nette Spielerei, es ist ja ganz einfach.» Die Fußball- Weltmeisterschaft in zwei Jahren wäre für RFID-Hacker eine erste gute Gelegenheit, weltweit zweifelhaften Ruhm zu ernten: «Es ist geplant, bei der WM RFID-Chips einzusetzen.»
Von Annett Klimpel, dpa
Computerchip soll Gepäckwaren finden und Produkte lenken
Magdeburg (dpa) - Das lästige Suchen nach einem Gepäckwagen auf Flughäfen könnte bald ein Ende haben. Derzeit sind die rollenden Hilfen im Bedarfsfall oft nicht am Platz, wenn man sie braucht - sie stehen einfach am falschen Ort. Mit einer neuen Technologie - RFID (Radio Frequency Identification - Funkfrequenzidentifizierung) - könnten die Wagen schnell gefunden und am richtigen Ort platziert werden. Die vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und - automatisierung (IFF) in Magdeburg mitentwickelte Technik könnte jedoch auch in der Wirtschaft ganze Logistikströme von Waren revolutionieren helfen. Ob Container oder Pakete - die Anwendungen sind vielfältig.
Das Prinzip ist einfach: An der Ware oder dem Kofferwagen wird eine Art kleiner Sender - ein Transponder - befestigt, der per Funk im ständigen Kontakt mit einem tragbaren Lesegerät eines Mitarbeiters oder einem Computernetzwerk wie dem Internet in Verbindung steht. Die Daten können dann ausgelesen werden, so dass Ort, Ziel oder Verfallsdatum einer Ware immer zur Verfügung stehen. Mit einem Sensor verbunden könnten auch Zustände wie Feuchtigkeit, Temperatur oder Druck gemessen werden. Die Transponder können unterschiedliche Formen haben - etwa als Etikett zum Aufkleben, als Chipkarten oder in Verkapselungen zum Implantieren.
«Unser Ziel ist es, die Warenströme auch direkt per Funk steuern zu können», sagt RFID-Experte Steffen Fröhlich vom Fraunhofer- Institut. Die Einrichtung hat auf 1800 Quadratmetern ein so genanntes LogMotionLab, ein «Labor für logistisch bewegte Objekte», eingerichtet. Es kann von Unternehmen genutzt werden.
Der flächenhaften Einführung des Systems stehen derzeit jedoch noch die Kosten gegenüber. «Wenn ein Transponder 50 bis 30 Cent kostet, ist das zu teuer für die Industrie», gibt Fröhlich zu bedenken. «Wenn man beispielsweise einen solchen kleinen Sender an einer Limonadenflasche anbringt, wird das deutlich.» Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichsten Systeme, die derzeit schon hier und da in der Wirtschaft getestet werden - deshalb stehen im Magdeburger Labor mehr als 30 Anwendungen zur Verfügung.
Dennoch gibt es erste Pilotanwendungen in der Praxis, etwa im Maschinenbau oder der Autoindustrie. Das Fraunhofer-Institut entwickelte zusammen mit Airbus ein System zur Wartung von Flugzeugen: Mit Hilfe von RFID werden Spezialwerkzeuge identifiziert und verfolgt, die zwischen verschiedenen Einsatzorten hin- und hergeschickt werden. Bislang waren dafür verschiedene Begleitpapiere im Einsatz. Nicht selten wurden die vertauscht oder gingen verloren. Die längeren Standzeiten von Flugzeugen führten zu höheren Kosten.
Die Industrie setzt laut Fraunhofer-Institut in die Einführung von RFID große Hoffnungen. In den kommenden fünf Jahren soll der Weltmarkt mit der neuen Technologie stark wachsen - schätzungsweise mehr als eine Milliarde Dollar (760 Millionen Euro) soll er dann betragen. Allerdings gibt es für einige Einsatzgebiete auch Bedenken von Datenschützern, etwa wenn die RFID-Daten eines Produkts später einmal zusammen mit der Kundenkarte eines Käufers erfasst werden könnten.
Von Steffen Wagner, dpa
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