14.02.2018

Unzerstörbare Quantenbits

NV-Zentren in Diamant können Quanteninformationen theoretisch über Stunden speichern.

Mit Quantenteilchen kann man Information speichern und manipulieren – das ist die Basis für viele viel­versprechende Technologien, vom hoch­sensiblen Quanten-Sensor über Quanten-Kommunikation bis zum Quanten-Computer. Ein großes Problem dabei ist allerdings, dass es sehr schwierig ist, in einem quanten­physikalischen System Information über lange Zeit zu speichern. Durch Wechsel­wirkungen mit der Umgebung geht die Quanteninformation oft schon nach Sekunden­bruchteilen unwieder­bringlich verloren.

Abb.: Der Mikrowellen-Resonator mit dem Diamanten in der Mitte: Wegen der eingebauten Fehlstellen ist der Diamant schwarz. (Bild: TU Wien)

An der TU Wien haben Forscher nun die Grundlagen geschaffen, dank spezieller Diamanten Quanten­information über Stunden zu konservieren. Damit wäre diese Art der Quanten­speicherung sogar stabiler als die klassische Information, die im Arbeits­speicher unserer Computer gespeichert ist.

Zum Einsatz kam an der TU Wien ein spezielles Quanten­system, an dem mittlerweile auf der ganzen Welt mit großem Interesse geforscht wird: „Wir verwenden winzige Diamanten, die ganz gezielt mit kleinen Defekten versehen wurden“, erklärt Johannes Majer, Gruppen­leiter am Atom­institut der TU Wien. Normaler­weise besteht ein Diamant nur aus Kohlenstoff­atomen. Durch Bestrahlung des Diamanten kann man aber erreichen, dass an bestimmten Stellen statt eines Kohlenstoff­atoms ein Stickstoff­atom in die Diamant­struktur eingebaut wird, und daneben bleibt dann eine Stelle im Kristall­gitter unbesetzt. Solche „Gitter­fehler“ bezeichnet man als NV-Zentren (N für Stick­stoff und V für die vakante Gitter­stelle). Das Stickstoffatom und die Fehlstelle können unterschiedliche Zustände annehmen. Somit lässt sich diese Gitterfehler-Stelle verwenden, um ein Quantenbit an Information abzuspeichern.

Die entscheidende Frage ist, wie lange diese Information stabil bleibt: „Die Zeit, in der ein Quanten­bit typischerweise seine Energie und somit auch die gespeicherte Information verliert, ist eine der technologisch wichtigsten Eigenschaften eines solchen Quanten­bits“, erklärt Thomas Astner. „Es ist daher von besonderer Bedeutung, die Ursache für den Energie­verlust und die Geschwindig­keit dieses Prozesses genau zu verstehen.“

Am Atominstitut der TU Wien gelang es nun zum ersten Mal, die charakteristische Zeit, in der die Diamant-Defekte ihre Quanten­information verlieren, experimentell zu bestimmen. Die Diamanten wurden an Mikrowellen angekoppelt, so kann Quanten­information eingeschrieben und wieder ausgelesen werden. Den speziellen Mikrowellen-Resonator dafür hatte Andreas Angerer an der TU Wien im Jahr 2016 entwickelt. Mit ihm kann man hoch­präzise feststellen, wie viel Energie noch in dem Diamant gespeichert ist.

Die Messungen wurden bei sehr tiefen Temperaturen durchgeführt – knapp über dem absoluten Temperatur-Nullpunkt, bei zwanzig Millikelvin. Bei höheren Temperaturen würde die Wärme der Umgebung das System stören und die Quanten­information löschen. Dabei zeigte sich, dass die Diamanten ihre Information viel länger speichern können, als man das für möglich gehalten hatte. Die logitudinale Kohärenzzeit betrug über mehrere Stunden. „Die Information im D-RAM Chip eines gewöhnlichen Computer­speichers ist viel instabiler. Dort geht die Energie innerhalb von einigen hundert Milli­sekunden verloren, danach muss die Information neu aufgefrischt werden“, sagt Johannes Majer.

(Diese logitudinale Kohärenzzeit entspricht allerdings noch nicht der realen Speicherdauer von Quantenbits. Sie ist nur eine notwendige Voraussetzung dafür, tatsächlich längere Speicherdauern zu erzielen. – Anm. d. Red.)

Nicht alle Diamanten mit Defekten weisen genau dieselbe Speicherzeit auf: Rekord­halter ist ein spezieller Diamant, der vom Team um Junichi Isoya an der Tsukuba Universität in Japan hergestellt wurde. Über mehrere Monate wurde er mit Elektronen bestrahlt, um möglichst viele NV-Defekte zu erzeugen, ohne dabei andere störende Effekte hervorzurufen. In diesem Diamanten konnte eine Quanten-Speicherzeit von acht Stunden gemessen werden.

„Diese wunderbaren Ergebnisse waren für uns anfangs kaum zu glauben“, sagt Johannes Majer. Man ging dem Phänomen daher durch Computer­simulationen auf den Grund: Johannes Gugler und Peter Mohn (ebenfalls TU Wien) führten aufwändige Berechnungen durch und konnten erklären, dass die außer­ordentliche Stabilität der Diamant-Quanten­speicher auf das besonders steife Diamant­gitter zurückzuführen ist. „Während in anderen Materialien Gitter­schwingungen relativ rasch dazu führen könnten, dass die gespeicherte Information verloren geht, ist die Kopplung der Quanten­information an die Gitter­schwingungen im Diamanten recht gering, und die Energie kann über Stunden gespeichert werden“, sagt Thomas Astner.

TU Wien / DE

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