20.06.2014

Vereiniger von Raum und Zeit

Hermann Minkowski (1864 – 1909), der sich als Mathematiker vor allem der Zahlentheorie widmete, trug auch zur Entwicklung der speziellen Relativitätstheorie bei.

Der Mathematiker Hermann Minkowski widmete den größten Teil seiner Schaffenskraft der Zahlentheorie. Schon als Schüler erwies er sich als Wunderkind und machte bereits mit 15 Jahren Abitur. Auch im Studium machte er durch seine Leistungen auf sich aufmerksam und mit ihm als Dritten im Bunde neben David Hilbert und Felix Klein erlebte Göttingen „eine Blütezeit nicht nur der Mathematik, sondern auch der benachbarten Wissenschaften“, wie sich Max Born erinnerte, der Minkowskis berühmtester Schüler war.

Minkowski wurde vor 150 Jahren, am 22. Juni 1864, in Alexotas geboren, einer Stadt im Russischen Kaiserreich. Sein Vater, ein jüdischer Kaufmann, wanderte wegen der antisemitischen Repressionen nach Deutschland aus. Mit 16 Jahren schrieb er sich an der Universität Königsberg ein und löste schon im ersten Semester eine mathematische Preisaufgabe der Pariser Akademie der Wissenschaften. Auf die ausgesetzte Geldprämie verzichtete er zugunsten eines verarmten Kommilitonen.

Die Aufgabe drehte sich um das Problem der Zerlegung ganzer Zahlen in eine Summe von fünf Quadraten. In seiner Dissertation setzte Minkowski das Thema fort und wurde 1885 in Königsberg promoviert. Bei seinen späteren Untersuchungen zur Zahlentheorie stützte sich Minkowski häufig auf anschauliche geometrische Vorstellungen und gewann dabei tiefliegende Einsichten. Sein Kollege Charles Hermite, der Senior der französischen Mathematiker, ließ sich 1896 Minkowskis Buch über die „Geometrie der Zahlen“ ins Französische übersetzen und schrieb bewundernd: „Ich glaube, das gelobte Land zu sehen“.

Mit der Physik beschäftigte sich Hermann Minkowski erstmals intensiver, als er 1887 Privatdozent an der Universität Bonn wurde. Weihnachten 1890 schrieb er seinem Freund Hilbert, mit dem er sonst die Ferienzeiten in Königsberg verbrachte, er könne nicht kommen, weil er sich „ganz der Magie, wollte sagen der Physik ergeben“ habe. Er studierte die Arbeiten von J. J. Thomson, Hermann Helmholtz und Heinrich Hertz. Wäre dieser nicht 1894 im Alter von nur 36 Jahren gestorben, so hätte sich Minkowski nach eigenen Aussagen schon damals der Physik zugewandt. So kam er erst sechs Jahre später dazu, als er sich in Göttingen mit den Transformationsgleichungen von Hendrik Anton Lorentz beschäftigte.

Unterdessen ging seine akademische Karriere steil voran. Minkowski folgte 1895 auf Hilberts Ordinariat, als dieser nach Göttingen wechselte. In der Zeit von 1896 bis 1902 lehrte Minkowski am Polytechnikum in Zürich, wo Albert Einstein sein Schüler war, aber nicht sonderlich auffiel, weil er die Vorlesungen nur selten besuchte. Seinen Ruf nach Göttingen hatte Minkowski den Kollegen Klein und Hilbert zu verdanken, die den Preußischen Ministerialrat Friedrich Althoff davon überzeugten, eine dritte Professur für reine Mathematik zu schaffen und diese mit Minkowski zu besetzen.

Max Born, der in seinem zweiten Göttinger Jahr Hilberts Assistent geworden war, erinnerte sich an seine Gespräche mit Hilbert und Minkowski „als eine wunderbare Lehrzeit, nicht nur in der Wissenschaft, sonder auch in Dingen des menschlichen Lebens". „Ich verehrte und liebte sie beide, und sie ließen mich nie fühlen, wie groß der Abstand an Wissen und Erfahrung zwischen ihnen und mir war, sondern behandelten mich wie einen jüngeren Kollegen“, so Born.

Minkowskis Göttinger Vortrag über das Relativitätsprinzip von 1907 wurde zum 10. Jahrstag von Einsteins Arbeit zur „Elektrodynamik bewegter Körper“ 1915 in den Annalen der Physik abgedruckt. (Quelle: Wiley Online Library)


Die Vorlesungen Minkowskis fesselten Born „durch die Einfachheit und Klarheit seines Vortrags, der oft durch witzige Bemerkungen belebt wurde“. Mehr lernte er aber in dem Seminar, das Hilbert und Minkowski 1905 über die Elektrodynamik bewegter Körper abhielten. Es war das Jahr, in dem Einsteins Arbeit zur speziellen Relativitätstheorie erschien.

Drei Jahre später veröffentlichte Minkowski in den „Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen“ seine Arbeit über „Die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in bewegten Körpern“, in der er das heute gebräuchliche Arsenal der relativistischen Mathematik entwickelt. Einstein soll sie nach Aussage Borns zunächst für überflüssiges mathematisches Beiwerk gehalten haben, seine Meinung jedoch später geändert haben. Born sieht die Entstehung der speziellen Relativitätstheorie als das gemeinsame Werk einer Gruppe großer Forscher, zu der er Lorentz, Poincaré, Einstein und Minkowski zählt.

Wenige Monate vor seinem Tod im Alter von nur 44 Jahren sprach Hermann Minkowski auf der 80. Naturforscher-Versammlung in Köln vor einem großen Auditorium aus Mathematikern, Physikern und Philosophen über die vollkommene Wandlung der Vorstellung von Raum und Zeit, die sich aus seinen Arbeiten ergab. Er begann mit den später viel zitierten Worten: „Von Stund‘ an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren.“

Hermann Minkowski starb an 12. Januar 1909 an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs. David Hilbert würdigte den Freund in einer bewegenden Gedächtnisrede, in der es heißt: „Er war mir ein Geschenk des Himmels, wie es nur selten jemand zuteil wird, und ich muss dankbar sein, dass ich es solange besaß.“

Anne Hardy

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