02.05.2006

Verlustarme Quantenelektronik

Ein neuartiger Fertigungsprozess ermöglicht die reproduzierbare Herstellung zahlreicher Josephson-Kontakte auf einem Chip.




Forschern der TU Ilmenau und der Universität Twente/Niederlande ist es gelungen, mit einem neuartigen technologischen Fertigungsprozess die reproduzierbare Herstellung zahlreicher Josephson-Kontakte auf einem Chip zu ermöglichen.

In der schnellen Einzelflussquantenelektronik (engl. RSFQ) wird die digitale Information in Form eines quantisierten magnetischen Flusses (eine Flussquant = 2,07 x 10 –15 Vs) innerhalb einer supraleitenden Leiterschleife dargestellt. Das aktive Kernelement dieser Elektronik ist der 1962 von Brain Josephson entdeckte Josephson-Kontakt, welcher durch eine nur wenige Nanometer (2–18 nm) dünne Isolationsbarriere ein quantenelektronisches supraleitendes Bauelement bildet. Er arbeitet als eine Art Tor für den gesteuerten Austausch von Flussquanten und damit von binären Informationen zwischen benachbarten Schaltungsbausteinen.

Für die Modellierung dieser Elektronik dient neben der Stromstärke auch die Phasendifferenz der supraleitenden Ladungsträger als beschreibende Zustandsgröße, letztere ist das Analogon zur elektrischen Spannung in der klassischen Elektrotechnik.

Bereits 1985 wurde das Funktionsprinzip der Einzelflussquantenelektronik formuliert und durch geeignete Entwurfswerkzeuge und Herstellungstechnologien bis heute zu einer anwendungsbereiten leistungsarmen Digitalelektronik weiterentwickelt.

Diese Elektronik zeichnet sich besonders durch hohe Taktfrequenzen bei gleichzeitig sehr geringer Verlustleistung aus: Es wurden komplexe Schaltungen bei Frequenzen von 20 GHz erfolgreich betrieben, wobei die dabei umgesetzte Verlustleistung um das 10000-fache geringer ist als in der konventionellen Halbleiterelektronik. Zurzeit wird ihr der Rang einer CMOS-Nachfolgeelektronik für spezielle Anwendungen eingeräumt, in denen extrem hohe Schaltfrequenzen bei gleichzeitig sehr geringem Leistungsumsatz notwendig sind.

Im Jahr 1993 wurde dazu erstmals ein neuer Josephson-Kontakt mit einer intrinsischen PI-Phasenverschiebung vorgestellt und experimentell demonstriert. Dieser PI-Josephson- Kontakt ist ein komplementäres Bauelement zu dem klassischen Josephson-Kontakt (ähnlich der p- und n-leitenden Transistoren).

An der Universität Twente/Niederlande wurde ein neuartiger technologischer Fertigungsprozess entwickelt, der durch eine Kombination von einem Hochtemperatursupraleiter (YBCO), einer 15 nm dünnen, trennenden Goldbarriere und einem Tieftemperatursupraleiter (Nb) die reproduzierbare Herstellung zahlreicher Josephson-Kontakte auf einem Chip ermöglicht.

In enger Zusammenarbeit der RSFQ Design-Forschungsgruppe der TU Ilmenau(Prof. F.H. Uhlmann, Dr. T.Ortlepp, O. Mielke) mit der Forschungsgruppe an der Universität Twente/Niederlande (Prof. H. Hilgenkamp) konnten die theoretischen Vorhersagen zur Anwendung aktiver PI-Kontakte weltweit erstmals im Herbst 2004 demonstriert und erste Vorhersagen für die Anwendung dieser Kontakte in der Einzelflussquantenelektronik getroffen werden: Schaltungskonzept, Entwurf und Optimierung wurden an der TU Ilmenau entwickelt und durchgeführt, die Chip-Herstellung erfolgte an der Universität Twente/ Holland. Bei den anschließenden gemeinsam durchgeführten Messungen konnte die quantengenaue digitale Funktion der Schaltung experimentell nachgewiesen werden.

Im Rahmen der Exzellenzförderung der TU Ilmenau war es möglich, diese Arbeiten für ein Jahr durchzuführen und jetzt Erfolg versprechende Ergebnisse zur Funktion digitaler Schaltungskomponenten hierfür abzuleiten. Die Verwendung von PI-Josephson-Kontakten ermöglicht erstmals einen symmetrischen Schaltungsaufbau mit einer deutlich höheren Funktionsstabilität. Man kann aus diesem Grund davon ausgehen, dass diese nun wesentlich erweiterte Einzelflussquantenelektronik auch für die Anforderungen der Kommunikationstechnik sowie industrieller Anwendungen bereit ist.

Quelle: Technische Universität Ilmenau

Weitere Infos:

  • Originalveröffentlichung:
    Thomas Ortlepp, Ariando Ariando, O. Mielke, C. J. M. Verwijs, K. F. K. Foo, H. Rogalla, F. H. Uhlmann, H. Hilgenkamp, Flip-Flopping Fractional Flux Quanta, Science Magazine, (online in Sciencexpress am 20. April 2006).
    http://dx.doi.org/10.1126/science.1126041 
  • Institute of Information Technology, RSFQ Design Group, Technische Universität Ilmenau:
    http://www4.tu-ilmenau.de/EI/ATE/kryo/ 
  • Faculty of Science and Technology and MESA+ Institute for Nanotechnology, University of Twente, Netherlands:
    http://www.mesaplus.utwente.nl

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