Verluste von Solarzellen auf der Nanoskala
Stromblockaden offenbaren sich unter dem Rasterkraftmikroskop.
Siliziumsolarzellen sind inzwischen so günstig und effizient, dass sie Stromgestehungskosten von unter zwei Cent pro Kilowattstunde ermöglichen. Die effizientesten Siliziumsolarzellen werden heutzutage mit selektiven Kontaktschichten, die für die Trennung der lichterzeugten Ladungen verantwortlich sind, aus unter zehn Nanometer dicken Schichten aus amorphem Silizium (a-Si:H) hergestellt. Mit solchen Silizium-Heterojunction-Solarzellen werden Wirkungsgrade von über 24 Prozent erreicht, in einer Tandemsolarzelle sogar 29,15 Prozent. Auch der aktuelle Weltrekord aus Japan für eine Siliziumsolarzelle mit 26,6 Prozent Wirkungsgrad basiert auf diesem Heterokontakt.
Aber auch diese Schichtstapel erreichen nicht den maximal möglichen Wirkungsgrad. Insbesondere ist bisher nicht im Detail verstanden, wie diese Schichten die Ladungsträgertrennung ermöglichen und was ihre nanoskopischen Verlustmechanismen sind. Die Kontaktschichten sind durch ihre intrinsische Unordnung geprägt, die zum einen eine hervorragende Vergütung der Siliziumoberfläche ermöglicht und somit die Anzahl von Grenzflächendefekten minimiert, zum anderen aber auch einen kleinen Nachteil mit sich bringt: Sie kann zu lokalen Kurzschlüssen sowie zu Transportbarrieren führen, welche das Vermögen der Kontaktschicht verringern, wie eine einseitig durchlässige Membran oder ein Ventil die Ladung zu trennen.
Nun hat erstmals ein Team am Helmholtz Zentrum Berlin HZB und der University of Utah experimentell vermessen, wie und über welche Wege zwischen den Schichten Verlustströme laufen, die den Dunkelstrom der Solarzelle und damit das Wirkungspotential prägen. Klaus Lips konnte mit einem Team um Christoph Boehme an der University of Utah aufwändige und sehr empfindliche Untersuchungen durchführen und die Prozesse an der Grenzfläche erstmals auf Nanometerskala aufklären. Dafür nutzten die Forscher die Methode der leitfähigen Rasterkraftmikroskopie, die an der University of Utah verfeinert wurde. Diese Grenzfläche schließt aber prinzipbedingt bei der Spannung, bei der der Arbeitspunkt der Solarzelle liegt, nicht perfekt – ein Dunkelstrom, der in Gegenrichtung fließt, reduziert die Ausbeute. Es wäre vorteilhaft, diesen Dunkelstrom auf sein thermodynamisches Minimum zu reduzieren.
Unter dem Rasterkraftmikroskop tasteten die Physiker den Stromfluss durch einen selektiven Kontakt mit einer Platinspitze ab und beobachteten, wie sich bei zunehmender Spannung Dunkelstromkanäle mit Durchmessern von einigen Nanometern ausbildeten – diese „undichten Stellen“ im Kontaktmaterial reduzieren den Wirkungsgrad. „Die Stromkanäle sind der Fingerabdruck von lokalen Defekten im amorphen Silizium, die der Dunkelstrom quasi als Buddelhilfe nutzt, um sich durch die amorphe Kontaktschicht zu graben“, erklärt Lips. „Wir sprechen hier vom Defekt-assistierten quantenmechanischem Tunneln! Das ist das erste Mal, das solche Zustände und Prozesse in einer real arbeitenden Solarzelle höchster Güte sichtbar gemacht werden konnten“, sagt der Physiker.
Außerdem zeigte sich, dass der Dunkelstrom in solchen Stromkanälen mit der Zeit stochastisch fluktuiert. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass hier eine kurzfristige Stromblockade zu sehen ist, die durch lokale Ladung entsteht, die in benachbarten Defekten eingefangen wird. Diese Ladung kann auch dafür sorgen, dass die lokale Photospannung an einem Stromkanal auf oberhalb von einem Volt steigt, was weit oberhalb dessen liegt, was an einem makroskopischen Kontakt abgreifbar ist. „An dieser Schnittstelle von der Nano- zu der Makrowelt liegt nicht nur die spannende Physik der Heterokontakte sondern auch das Verständnis, wie sich der Wirkungsgrad von Siliziumsolarzellen noch gezielter verbessern lässt“, sagt Bernd Stannowski, der für die Entwicklung industrieller Silizium-Heterojunction Solarzellen am HZB verantwortlich ist.
HZB / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Y. Teferi et al.: Imaging of Bandtail States in Silicon Heterojunction Solar Cells: Nanoscopic Current Effects on Photovoltaics, ACS Appl. Nano Mater., online 17. März 2021; DOI: 10.1021/acsanm.0c02704 - Spins in der Energieumwandlung und Quanteninformatik, Helmholtz Zentrum Berlin HZB, Berlin