Verminderte Elastizität durch Abbau innerer Spannungen
Modellsystem führt auf die Spur von Alterungsprozessen elastischer Polymere.
Modellsystem führt auf die Spur von Alterungsprozessen elastischer Polymere.
Nicht nur an uns Menschen nagt der Zahn der Zeit, auch viele Materialien ändern ihre Eigenschaften mit fortschreitendem Alter. Obwohl solche Phänomene in vielen Bereichen zu finden sind, entziehen sich die ihnen zugrunde liegenden Prozesse in vielen Fällen noch einem genaueren Verständnis. Einer Gruppe um Physiker der Technischen Universität München (TUM) ist es kürzlich gelungen, wesentliche Aspekte dieser Vorgänge bei polymeren Materialien, wie sie in Kunststoffen und biologischen Systemen zu finden sind, aufzuklären.
Beobachtet man ein Material über einen ausreichend langen Zeitraum, lassen sich häufig Veränderungen in dessen mechanischen Eigenschaften feststellen. Wie diese Entwicklungen verlaufen hängt von den zugrunde liegenden mikroskopischen Mechanismen ab. Das Team um Andreas Bausch vom Lehrstuhl für Zellbiophysik nutzte zur Untersuchung dieser Mechanismen ein exakt kontrollierbares Modellsystem auf der Basis von Aktin-Fasern, einem Biopolymer das im menschlichen Körper unter anderem die Kontraktion von Muskeln ermöglicht. Gemeinsam mit dem Quervernetzermolekül Fascin bilden diese ein verknüpftes Netzwerk, dessen Elastizität mit zunehmendem Alter sinkt.
Die Forscher konnten zeigen, dass mikroskopische Entspannungsprozesse der Grund für die makroskopischen Eigenschaftsänderungen des Polymernetzwerkes sind. Während der Entstehung des Netzwerks bauen sich innere Spannungen auf. Da die Verknüpfungspunkte des Netzwerkes aber nicht von permanenter Natur sind, sondern sich in zufälligen Intervallen öffnen und schließen, werden diese Spannungen nach und nach abgebaut. Im Verlauf von etwa zehn Stunden sinkt die Elastizität auf etwa ein Fünftel des Anfangswertes und bleibt dann stabil.
Abb.: Konfokale Aufnahme einer Mikrostruktur eines Actin/Fascin-Netzwerks etwa eine Stunde nach Initiierung der Polimerisation, wobei das Biegen einzelner Faserbündel zu beobachten ist (mit weißen Pfeilen markiert). Der weiße Skalierungsbalken repräsentiert eine Länge von 2 µm. (Bild: O. Lieleg et al., Nat. Mat.)
„Vernetzte Aktinfaserbündel bilden Netzwerke, die für die Stabilität lebender Zellen essenziell sind,“ sagt Andreas Bausch „Indem wir die mikroskopischen Ursachen der unglaublichen Wandlungsfähigkeit des Zellskeletts besser verstehen lernen, legen wir die Grundlagen, auch die Entwicklung anderer polymerer Materialien weiter voran zu treiben.“
TUM / MH