Vernetzt: Produktion und Speicherung von Energie
Kopplung von Energiesektoren zur Flexibilisierung der Energieinfrastruktur.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion erreicht mittlerweile fast fünfzig Prozent – mit dem großen Nachteil, dass sie sich dem wechselnden Strombedarf am Tage kaum anpassen können. Sie liefern nur dann elektrische Energie, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Ideal wäre es, erzeugte erneuerbare Energie in großem Maße speichern und die Produktion und Speicherung von Energie aufeinander abstimmen zu können. Das ist das Ziel von ES-FLEX-INFRA, einem Gemeinschaftsprojekt unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Algorithmen und wissenschaftliches Rechnen SCAI.
Das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt steht für die „Kopplung von Energiesektoren zur Flexibilisierung der Energieinfrastruktur“. Die dafür entwickelte Software soll Energieversorger in die Lage versetzen, Lastverlagerungen und die Integration von Speichern in der städtischen Infrastruktur analysieren und betreiben zu können.
„Was passiert, wenn der Strombedarf hoch ist, aber die Sonne nicht scheint oder umgekehrt? Wie kann überschüssige Energie genutzt werden? Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien weiterwächst, wird die bisher übliche Energieoptimierung innerhalb der einzelnen Energiesektoren nicht mehr ausreichen. Vielmehr wird es notwendig, Energiesektoren wie Strom, Erdgas, Fernwärme und Verkehr miteinander zu koppeln“, sagt Bernhard Klaaßen, der beim Fraunhofer-SCAI das Projekt begleitet. „Denn verglichen mit der Energiespeicherung in Form von Elektrizität ist beispielsweise der Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch durch Lastverlagerung, Nutzung industrieller Abwärme und thermische Energiespeicherung deutlich kostengünstiger und effizienter.“
Eine gut funktionierende Sektorkopplung, die Vernetzung verschiedener Energiesektoren, regelt Produktion und Speicherung auch von Wärme. Denn Wärme entsteht auch immer bei der Produktion von elektrischer Energie – und ist weit mehr als nur ein Abfallprodukt. Ein so optimiertes „Cross Energy Management“ ist demnach eine ideale Kombination aus Strom- und Wärmegewinnung auf der einen Seite – und deren jeweils bestmögliche Speicherung, Verteilung und Nutzung. Das verbessert signifikant die Versorgungssicherheit beim umfassenden Einsatz erneuerbarer Energien und steigert deren Akzeptanz nachhaltig.
Als Grundlage für die Entwicklung von ES-FLEX-INFRA als softwaregestützte Lösung wurden nicht nur virtuelle Simulationen durchgeführt – sondern auch das reelle Netz der Rheinischen Netzgesellschaft unter verschiedenen Lastzuständen betrachtet. Dabei wurden die Sektoren Strom, Gas und Wärme betrachtet. Beispielsweise kommen folgende Flexibilitätsoptionen in Frage: Die Nutzung bisher ungenutzter Wärme (Abwärme, Flüsse) mit Wärmepumpen und Wärmespeichern bzw. Wärmenetzen; die Nutzung von Überschussstrom zur Erzeugung von Methan (Power-to-Gas) und gleichzeitige Nutzung des hohen Prozesswärmeanteils durch Kraft-Wärme-Kopplung; der Bezug und die Einspeisung von Methan in Gasnetze bzw. Speicher, Nutzung in Kraftwärmekopplungs-Prozessen; sowie die Nutzung von Überschussstrom in der Elektromobilität bzw. über Power-to-Gas in Erdgas-betriebenen Fahrzeugen.
„Der Bedarf an Speicherung und anderen Flexibilitätsoptionen wird noch weiter zunehmen. Effizient und ökonomisch kann die Energiewende nur gelingen, wenn die Sektoren Strom, Wärme, Gas – und auch Transport etwa durch Elektromobilität oder mit Erdgas betriebenen Fahrzeugen – untereinander vernetzt und Synergien in Lastflüssen und Speicherung genutzt werden“, sagt Klaaßen. Die Vorteile der Sektorenkopplung werden zunehmend erkannt. Die vom Fraunhofer-SCAI entwickelte Simulations-Software wird von der Industrie bereits nachgefragt, um zukünftige Planungen – etwa im Wasserstoffbereich – zu unterstützen. Industriell eingesetzt wird sie bereits vom größten Fernleitungsbetreiber für Gas, der Open Grid Europe GmbH in Essen.
FG / RK
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