Verschmelzende Neutronensterne
Simulationen grenzen die Größe dieser Sterne genauer ein.
Wenn ein sehr massereicher Stern stirbt, zieht sich dessen Kern zusammen. In einer gewaltigen Supernova-Explosion werden dabei die äußeren Sternhüllen abgestoßen, zurück bleibt ein ultra-kompakter Neutronenstern. Die LIGO- und Virgo-Observatorien konnten kürzlich zum ersten Mal eine Verschmelzung zweier Neutronensterne beobachten und die Masse der verschmelzenden Sterne messen. Zusammen hatten die Neutronensterne eine Masse von 2,74 Sonnen. Anhand dieser Beobachtungsdaten grenzte nun ein internationales Team von Wissenschaftlern aus Deutschland, Griechenland und Japan unter der Federführung von HITS-Astrophysiker Andreas Bauswein mit Hilfe von Computer-Simulationen die Größe von Neutronensternen ein. Die Berechnungen legen nahe, dass der Neutronensternradius mindestens 10,7 Kilometer sein müsse.
Abb.: Simulation einer Neutronenstern-Verschmelzung. Der nach der Verschmelzung entstandene Stern kollabiert direkt zum Schwarzen Loch (o.) oder es entsteht (u.) ein zumindest vorübergehend stabiler Stern. (A. Bauswein, HITS)
Bei Neutronenstern-Kollisionen umkreisen sich erst zwei Neutronensterne, um schließlich zu verschmelzen und schlagartig einen neuen Stern mit ungefähr der doppelten Masse zu bilden. Bei diesem kosmischen Ereignis werden Gravitationswellen ausgesandt, deren Stärke mit den Massen der Sterne zusammenhängt. Die Wissenschaftler simulierten für die kürzlich gemessenen Massen verschiedene Verschmelzungsszenarien, um die Größe der Neutronensterne zu berechnen. Dazu verwendeten sie verschiedene Modelle von Neutronensternmaterie, die den genauen Aufbau von Neutronensternen zu erklären versuchen. Im Anschluss überprüfte das Wissenschaftlerteam, ob die berechneten Szenarien mit den Beobachtungen übereinstimmen. Die Schlussfolgerung: Alle Modelle, die zu einem Kollaps der verschmolzenen Neutronensterne führen, können ausgeschlossen werden. Denn ein Kollaps führt zur Bildung eines Schwarzen Lochs, was wiederum bedeutet, dass bei der Verschmelzung relativ wenig Licht ausgesendet wird. Verschiedene Teleskope haben jedoch am Ort der Sternenkollision ein helles Lichtsignal beobachtet, was eindeutig gegen einen Kollaps spricht.
Die Ergebnisse schließen damit eine Reihe zuvor aufgestellter Modelle von Neutronensternmaterie aus, die einen Neutronensternradius kleiner als 10,7 Kilometer vorhersagen. Der innere Aufbau von Neutronensternen ist nach wie vor nicht genau bekannt. Die Radien sowie die Zusammensetzung im Inneren von Neutronensternen sind nicht nur für Astrophysiker, sondern auch für Kern- und Teilchenphysiker von besonderem Interesse. Denn der innere Aufbau der Sterne spiegelt die Eigenschaften hochdichter Kernmaterie wieder, wie sie sich in jedem Atomkern der uns bekannten Materie befindet.
Neutronensterne haben zwar eine etwas größere Masse als unsere Sonne, ihr Radius beträgt aber lediglich wenige Kilometer. Damit vereinigen die Sterne eine große Masse auf kleinstem Raum, was zu extremen Bedingungen im Innersten der Sterne führt. Diesen Bedingungen im Inneren spüren Forscher schon seit längerem nach und wollen insbesondere den Radius der Sterne besser eingrenzen, da dieser von den unbekannten Eigenschaften hochdichter Materie abhängt. Diese aktuelle Messung sowie die neuen Berechnungen helfen Theoretikern, die Eigenschaften von hochdichter Materie in unserem Universum besser zu verstehen.
Die Wissenschaftler konnten mit ihrer Arbeit zeigen, dass jede weitere Beobachtung einer Neutronensternverschmelzung die Messung weiter verbessert. Die LIGO- und Virgo-Observatorien haben gerade erst mit ihren Messungen begonnen, zudem wird die Empfindlichkeit der Messinstrumente in den nächsten Jahren weiter steigen und noch bessere Beobachtungsdaten liefern. „Wir gehen davon aus, dass schon bald weitere Neutronenstern-Kollisionen beobachtet werden und die Beobachtungsdaten dieser Ereignisse mehr über den inneren Aufbau der uns bekannten Materie verraten“, sagt HITS-Wissenschaftler Andreas Bauswein.
HITS / JOL