17.12.2015

Verschränkung unterschiedlicher Ionen gelungen

Bell-Ungleichung klar verletzt – mögliche Anwendungen in der Quanten-Informationsverarbeitung.

Unabhängig voneinander haben zwei Forschergruppen erstmals zwei verschiedene Atome miteinander verschränkt. An diesen unterscheid­baren Teilchen haben sie ein hybrides Quanten­gatter getestet und die Bell-Ungleichung überprüft. Die quanten­mechanische Verschränkung von Teilchen spielt für die Grund­lagen­forschung wie auch für die Quanten-Informations­verarbeitung eine wichtige Rolle. Verschränkte Teilchen sind jedes für sich in einem völlig unbestimmten Zustand. Werden sie jedoch einer Beobachtung unterzogen, so zeigen sie selbst über große Entfernungen hinweg ein so eng abgestimmtes Verhalten, wie es im Rahmen der klassischen Physik nicht erklärbar ist.

Diese enge Abstimmung verschränkter Teilchen führt zu einer Verletzung der Bell-Ungleichung, wie es schon in zahlreichen Experimenten nachgewiesen wurde. Kürzlich konnten bei einem bahnbrechenden Bell-Experiment alle eventuellen „Schlupflöcher“ geschlossen werden. Doch bisher wurde die Bell-Ungleichung lediglich an gleichen Teilchen überprüft, die sich nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufenthaltsorte voneinander unterschieden.

Jetzt haben der Nobelpreisträger David Wineland und seine Kollegen am National Institute of Standards and Technology im US-amerikanischen Boulder sowie Forscher um David Lucas und Andrew Steane an der University of Oxford in Groß­britannien einen Bell-Test an jeweils zwei unter­schiedlichen verschränkten Ionen durchgeführt. Während man in Boulder ein Beryllium-9- und ein Magnesium-25-Ion benutzte, verwendete man in Oxford Ionen der Isotope Kalzium-40 und Kalzium-43. Die Forscher wählten jeweils zwei spezielle Zustände eines Ions, die sie gezielt anregten, sodass das Ion ein Quantenbit oder Qubit tragen konnte. Bei den Beryllium-, Magnesium- und Kalzium-43-Ionen waren das jeweils zwei Hyper­fein­zustände, beim Kalzium-40-Ion die beiden Zeeman-Niveaus des Grund­zustands. Jeweils zwei Ionen saßen neben­einander in einer linearen Paul-Falle, in der sie mechanisch schwingen konnten. Durch Laser­kühlung brachten die Forscher die Ionen zunächst in ihren Schwingungs­grund­zustand.

Dann wurden die Ionen mit mehrfarbigem Laserlicht bestrahlt, dessen Frequenzen gegen die Übergangs­frequenz der beiden Zustände des jeweiligen Ions leicht rot- oder blau­verstimmt waren. Es kam zu Raman-Übergängen, bei denen die Ionen nicht nur ihren internen Zustand änderten, sondern auch ein mechanisches Schwingungs­quant aufnahmen oder abgaben. Da die beiden Ionen einen geringen Abstand voneinander hatten – 4 Mikrometer in Boulder, 3,5 Mikrometer in Oxford –, stießen sie einander merklich ab und beeinflussten dadurch ihre Schwingungen. Das führte zu einer Wechsel­wirkung zwischen den Ionen, deren Energie vom Zustand beider Ionen, also von beiden Qubits abhing. Indem die Forscher abstimmten, wie lange das Laserlicht auf die Ionen wirkte, konnten sie beispiels­weise den Zustand (0,0), bei dem beide Qubits „0“ waren, in den verschränkten Bell-Zustand (0,0)+(1,1) übergehen lassen. In Boulder wurde dieser Zustand mit einer Genauigkeit („fidelity“) von 0,979 präpariert, in Oxford erreichte man sogar 0,998.

Diesen Zustand unterwarfen die Forscher einem Bell-Test, indem sie die Ionen immer wieder in ihm präparierten und dann einzeln unter­schied­lichen Zustands­messungen unterzogen, aus deren Ergebnissen sie eine charakte­ristische Größe berechneten. Der Bell-Ungleichung zufolge sollte diese Größe kleiner als ein bestimmter Wert sein. Doch sowohl in Boulder als auch in Oxford wurde die Bell-Ungleichung klar verletzt. Der in Boulder gemessene Wert lag um 40 Standard­abweichungen über der Bell-Schranke, während er sie in Oxford um 15 Standard­abweichungen übertraf.

Mit der Prozedur, durch die Wineland und seine Kollegen den hybriden Bell-Zustand präpariert hatten, konnten sie auch ein kontrolliertes NOT- oder CNOT-Gatter sowie ein SWAP-Gatter realisieren, das die beiden in den Ionen gespeicherten Qubits miteinander vertauschte. Damit sind die grund­legenden Elemente für eine Quanten-Informations­verarbeitung gegeben.

Dass die beiden Qubits auf unterschiedlichen Ionen sitzen, hat enorme Vorteile. So kann das Hyperfein-Qubit des Kalzium-43-Ions die Quanten­information etwa eine Minute lang speichern, während sich das Zeeman-Qubit des Kalzium-43-Ions sehr gut an ein photonisches Qubit koppeln lässt, das die Information über große Entfernungen transportiert. Zudem lassen sich unter­schiedliche Ionen auch einzelnen optisch anregen, ohne dass die anderen Ionen durch Streulicht gestört würden. So könnte man kompakte Quanten­prozessoren aus vielen verschiedenen Ionen realisieren. Auch die Gang­genauigkeit von Atomuhren sollte sich mit unterschiedlichen, verschränkten Ionen verbessern lassen.

Rainer Scharf

RK

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