Versprühte Mikrosensoren im Schwarm
Sensor, Speicher und Photodiode aus zweidimensionalen Materialien kombiniert.
Aus zweidimensionalen Materialien lassen sich komplexe und hoch effiziente Schaltkreise ohne Silizium fertigen. Auf dieser Erkenntnis baut die Arbeitsgruppe um Michael Strano am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge auf. Die Wissenschaftler konzipierten und bauten Mikrometer kleine Sensorchips, die in der Luft versprüht zuverlässig Rußpartikel und chemische Substanzen nachweisen und das Messergebnis sogar elektronisch speichern konnten. Damit legen sie eine Grundlage für Schwärme winziger Sensoren, die für genauere Diagnosen in Zukunft eingeatmet oder in Blutbahnen injiziert werden könnten. Auch technische Anwendungen zum Umweltmonitoring, in Pipelines oder in Reaktoren der chemischen Industrie sind vorstellbar.
Abb.: Illustratierter Aufbau der winzigen Sensormodule mit Photodiode und Memristoreinheit (Bild: V. B. Koman et al., MIT)
Konventionelle Elektronik auf Siliziumbasis lässt sich zwar auch als Basis für Sensoren nutzen. Doch ist bei diesen der Energiebedarf für einen autarken Betrieb zu hoch. Schaltkreise auf der Basis zweidimensionaler Materialien kommen mit deutlich geringeren Spannungen und Stromflüssen aus. Zudem sind sie stabil genug, um verteilt in der Luft zuverlässig zu funktionieren. Strano und seine Kollegen deponierten nun wenige Mikrometer dünne Schichten aus Graphen, Bornitrid, Molybdändisulfid, Wolframdieselenid, Silber und Gold auf einer flexiblen Kunststoffunterlage. Mit lithografischen Methoden entstanden über mehrere Arbeitsschritte elektronische Module mit Sensor, einer Photodiode als Stromquelle und einem Memristor als digitale Speichereinheit. Diese Module lösten die Forscher nach der Produktion von einem Substrat ab und verteilten sie gleichmäßig in einer Flüssigkeit.
Mit einem Zerstäuber ließen sich diese Module in einem gläsernen, etwa sechzig Zentimeter langem Zylinder fein verteilen. Dabei erreichten sie Geschwindigkeiten von bis zu zehn Meter pro Sekunde. Senkrecht zur Flugrichtung der Module injizierten die Forscher entweder Rußpartikel oder wässrige Tröpfchen mit Ammoniak oder dem Lösungsmittel Triethylamin. Trafen diese Substanzen auf ein Modul, dockten einzelne Partikel an die Sensoreinheit des Moduls an. Dadurch wurden dessen elektronischen Eigenschaften verändert. Schließlich trafen die Module am hinteren Ende des Glaszylinders auf eine Kollektorfläche, an der sie haften blieben.
Abb.: Mikroskopaufnahme der filigranen Sensormodule aus zweidimensionalen Materialien wie Graphen oder Molybdändisulfid (Bild: V. B. Koman et al., MIT)
Beim Andocken der nachzuweisenden Substanzen reduzierte sich der elektrische Widerstand der Sensoreinheit. Die Leitfähigkeit verdoppelte sich von etwa neun Nanosiemens auf knapp 18 Nanosiemens. Nachdem hunderte Module auf der Kollektorfläche hafteten, konnten sie mit einem Laserstrahl (532 Nanometer Wellenlänge) abgetastet und ausgewertet werden. Im Laserlicht erzeugte dazu die integrierte Photodiode in jedem Modul einen winzigen Stromfluss mit knapp 0,3 Volt Spannung und einer Stromstärke von 0,15 Mikroampere. Das reichte aus, um den im Modul integrierten Memristor zu einem digitalen Schaltprozess anzuregen.
Wurde nun während des Flugs ein Ruß-, Ammoniak- oder Triethylaminteilchen eingefangen, schaltete der Memristor in einen Zustand mit geringem elektrischen Widerstand. Die Leitfähigkeit des Memristors sprang von geringen 15 auf gut 400 Nanosiemens. Ohne eingefangenes Teilchen blieb diese Leitfähigkeit jedoch unverändert. Genau dieser Unterschied ließ sich während des Abtastens mit dem Laser Modul für Modul messen. Alle Messdaten zusammen ergaben einen genauen Wert für die Ruß- oder Chemikalien-
Abb.: Mit einem Zerstäuber lassen sich winzige elektronische Sensormodule in der Luft verteilen, um Schadstoffe exakt zu messen. (Bild: V. B. Koman et al., MIT)
Mit diesem Experiment belegten die Forscher prinzipiell, dass fein versprühte Module als elektronische Sensoren für chemische Substanzen geeignet sind. Bevor diese Module eingeatmet oder gar in Blutbahnen injiziert werden könnten, müssen sie allerdings noch deutlich schrumpfen. Parallel ist es notwendig, eine gute Verträglichkeit für den Patienten ohne nennenswerte Nebenwirkungen nachzuweisen. Technische Anwendungen dieser Sensoren aus der Sprühdose etwa für Schadstoffmessungen in der Luft oder in Gaspipelines könnten wahrscheinlich schon früher möglich werden.
„Und wir wollen die Vielfalt an elektronischen Komponenten mit geringem Strombedarf noch erweitern“, sagt Stranos Mitarbeiter Volodymyr B. Koman. In Zukunft sollen die Module im Schwarm agieren und eine Art „Smart Dust“, intelligentem Staub, bilden. Komplexere Messungen als heute wären dann möglich, bei denen die Module auch miteinander interagieren und ihre Messdaten schnurlos an eine zentrale Empfangsstation senden könnten.
Jan Oliver Löfken
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