Versteckt im kosmischen Staub
Verborgenes schwarzes Loch treibt aktiven Galaxienkern an.
Das Matisse-Instrument am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte beobachtete eine Wolke kosmischen Staubs im Zentrum der Galaxie NGC 1068, in der sich ein supermassereiches schwarzes Loch verbirgt. Die Forschungsergebnisse eines internationalen Teams von Astronomen, zu dem auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn gehören, haben rund dreißig Jahre alte Vorhersagen bestätigt, und geben den Astronomen neue Einblicke in die Mechanismen aktiver galaktischer Kerne, die zu den hellsten und rätselhaftesten Objekten im Universum gehören.
Aktive Galaxienkerne (AGN) sind extrem energiereiche Quellen, die von supermassereichen schwarzen Löchern angetrieben werden und sich im Zentrum bestimmter Galaxien befinden. Die zentralen schwarzen Löcher werden von großen Mengen an kosmischem Staub und Gas gespeist. Dieses Material bewegt sich spiralförmig auf das schwarze Loch zu, wobei enorme Energiemengen freigesetzt werden, die oft das Licht aller Sterne in der Galaxie in den Schatten stellen. Nun gelang einem Forscherteam unter der Leitung von Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden in den Niederlanden ein entscheidender Schritt vorwärts zum Verständnis ihrer Funktionsweise und ihres genauen Erscheinungsbilds.
Durch außerordentlich detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Galaxie NGC 1068 bei Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei bis zwölf Mikrometern entdeckten Gámez Rosas und ihr Team einen dicken Ring aus kosmischem Staub und Gas, der ein supermassereiches schwarzes Loch verbirgt. Diese Entdeckung ist ein wichtiger Beleg für eine seit dreißig Jahren bestehende Theorie, die als einheitliches Modell oder Standardmodell für AGNs bekannt ist. Die Forscher wissen, dass es verschiedene Arten von AGN gibt. Einige AGN leuchten hell im sichtbaren Licht, während bei anderen, wie NGC 1068, die Leuchtkraft im optischen eher unterdrückt erscheint. Das einheitliche Modell besagt nun, dass alle AGN trotz ihrer Unterschiede dieselbe Grundstruktur haben: ein supermassereiches schwarzes Loch, das von einem dicken Ring aus Staub umgeben ist.
Diesem Modell zufolge sind die Unterschiede im Erscheinungsbild der AGNs auf die Ausrichtung zurückzuführen, mit der wir das schwarze Loch und seinen dicken Gas- und Staubring von der Erde aus betrachten. Das Bild, das wir sehen, hängt davon ab, wie sehr der Ring das schwarze Loch aus unserer Sicht verdunkelt, in manchen Fällen sogar völlig verdeckt. Verschiedene Forscher hatten bereits zuvor Beweise für das einheitliche Modell gefunden, darunter die Entdeckung von warmem Staub im Zentrum von NGC 1068. Es blieben jedoch Zweifel, ob dieser Staub ein schwarzes Loch vollständig verdecken kann und somit erklärt, warum AGNs dieser Art im sichtbaren Licht weniger hell leuchten als andere.
„Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Fütterung des schwarzen Lochs sowie bei der Bestimmung ihres Erscheinungsbilds von der Erde aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen bei der Erforschung von AGNs. Obwohl kein einzelnes Beobachtungsergebnis alle Fragen klären kann, haben wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Funktionsweise von AGNs gemacht“, sagt Gámez Rosas. „Unsere Ergebnisse sollten zu einem besseren Verständnis der inneren Funktionsweise von AGNs führen. Sie könnten uns auch helfen, die Geschichte unserer Milchstraße besser zu verstehen, in deren Zentrum sich ein supermassereiches schwarzes Loch befindet, das in der Vergangenheit aktiv gewesen sein könnte.“
Ermöglicht wurden die Beobachtungen durch das „Multi AperTure Mid-Infrared SpectroScopic Experiment“ (MATISSE), das sich auf dem Cerro Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste befindet. Matisse kombiniert Infrarotlicht von allen vier 8,2-Meter-Teleskopen des Very Large Telescope (VLT) der ESO auf interferometrische Weise. Das Team nutzte Matisse, um das Zentrum der Galaxie NGC 1068 abzuscannen, die in einer Entfernung von 47 Millionen Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Cetus (Walfisch) liegt. „Matisse ist in der Lage, ein breites Spektrum an Infrarot-Wellenlängen zu erfassen, wodurch wir durch den Staub hindurchsehen und die Temperaturen genau messen können. Da es sich beim VLTI in der Tat um ein sehr großes Interferometer handelt, haben wir die nötige Auflösung, um selbst in so weit entfernten Galaxien wie NGC 1068 Einzelheiten studieren zu können. Die Bilder, die wir erhalten haben, zeigen detailliert die Temperatur- und Absorptionsveränderungen der Staubwolken um das schwarze Loch“, sagt Walter Jaffe, Professor an der Universität Leiden.
Durch die Kombination der Temperaturveränderungen des Staubs von ungefähr Raumtemperatur bis auf etwa 1200 Grad Celsius, verursacht durch die intensive Strahlung des schwarzen Lochs, mit den Absorptionskarten konnte das Team ein detailliertes Bild des Staubs erstellen und genau feststellen, wo sich die Position des Schwarzen Lochs befindet. Der Staub in einem dicken inneren Ring mit einer ausgedehnteren Scheibe und das schwarze Loch in seinem Zentrum unterstützen das einheitliche Modell. Das Team nutzte ebenfalls Daten des „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“ (ALMA), das in internationaler Kooperation unter anderem von der ESO betrieben wird, und des „Very Long Baseline Array“ (VLBA) des amerikanischen „National Radio Astronomy Observatory“, um das aktuelle Bild zu erstellen.
Die Forscher wollen das VLTI der ESO weiterhin nutzen, um Belege für das einheitliche Modell der AGNs zu finden, indem sie eine größere Anzahl von Galaxien damit untersuchen. Teammitglied Bruno Lopez, Projektleiter für Matisse am Observatoire de la Côte d'Azur in Nizza, Frankreich, sagt: „NGC 1068 ist ein wichtiger Prototyp eines AGNs und eine wunderbare Motivation, unser Beobachtungsprogramm zu erweitern und Matisse zu optimieren, um eine größere Stichprobe von AGNs zu untersuchen.“ „Für die Rekonstruktion der Bilder wurden ausgefeilte Datenverarbeitungsmethoden entwickelt. Es sind die ersten hochauflösenden Bilder von NGC 1068 bei langen Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei bis zwölf Mikrometern, wo die Staubstrahlung am stärksten ist“, erklärt Karl-Heinz Hofmann vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
„Zukünftige Beobachtungen mit dem Matisse-Instrument mit niedriger und zusätzlich auch hoher spektraler Auflösung werden es uns ermöglichen, die detaillierte Struktur von AGNs bei verschiedenen wichtigen Wellenlängen zu untersuchen“, sagt Gerd Weigelt, ebenfalls vom MPIfR. „Kombiniert mit interferometrischen Beobachtungen bei Radiowellenlängen und anderen komplementären Beobachtungen wird dies die Untersuchung der Zentralregionen von AGNs mit noch nie dagewesener Präzision ermöglichen und unser Verständnis der Physik dieser Objekte verbessern.“
MPIfR / JOL