04.03.2022

Versteckt im kosmischen Staub

Verborgenes schwarzes Loch treibt aktiven Galaxienkern an.

Das Matisse-Instrument am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südstern­warte beobachtete eine Wolke kosmischen Staubs im Zentrum der Galaxie NGC 1068, in der sich ein super­massereiches schwarzes Loch verbirgt. Die Forschungs­ergebnisse eines inter­nationalen Teams von Astronomen, zu dem auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radio­astronomie in Bonn gehören, haben rund dreißig Jahre alte Vorher­sagen bestätigt, und geben den Astronomen neue Einblicke in die Mechanismen aktiver galaktischer Kerne, die zu den hellsten und rätsel­haftesten Objekten im Universum gehören.

Abb.: Die Galaxie NGC 1068 (li.) und eine vergrößerte Ansicht ihres aktiven...
Abb.: Die Galaxie NGC 1068 (li.) und eine vergrößerte Ansicht ihres aktiven galaktischen Kerns. (Bild: Jaffe, Gámez-Rosas et al., ESO)

Aktive Galaxien­kerne (AGN) sind extrem energiereiche Quellen, die von supermasse­reichen schwarzen Löchern angetrieben werden und sich im Zentrum bestimmter Galaxien befinden. Die zentralen schwarzen Löcher werden von großen Mengen an kosmischem Staub und Gas gespeist. Dieses Material bewegt sich spiral­förmig auf das schwarze Loch zu, wobei enorme Energie­mengen freigesetzt werden, die oft das Licht aller Sterne in der Galaxie in den Schatten stellen. Nun gelang einem Forscherteam unter der Leitung von Violeta Gámez Rosas von der Universität Leiden in den Niederlanden ein entscheidender Schritt vorwärts zum Verständnis ihrer Funktionsweise und ihres genauen Erscheinungs­bilds.

Durch außer­ordentlich detaillierte Beobach­tungen des Zentrums der Galaxie NGC 1068 bei Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei bis zwölf Mikrometern entdeckten Gámez Rosas und ihr Team einen dicken Ring aus kosmischem Staub und Gas, der ein supermassereiches schwarzes Loch verbirgt. Diese Entdeckung ist ein wichtiger Beleg für eine seit dreißig Jahren bestehende Theorie, die als einheitliches Modell oder Standard­modell für AGNs bekannt ist. Die Forscher wissen, dass es verschiedene Arten von AGN gibt. Einige AGN leuchten hell im sichtbaren Licht, während bei anderen, wie NGC 1068, die Leuchtkraft im optischen eher unterdrückt erscheint. Das einheitliche Modell besagt nun, dass alle AGN trotz ihrer Unterschiede dieselbe Grundstruktur haben: ein supermasse­reiches schwarzes Loch, das von einem dicken Ring aus Staub umgeben ist. 

Diesem Modell zufolge sind die Unterschiede im Erscheinungs­bild der AGNs auf die Ausrichtung zurück­zuführen, mit der wir das schwarze Loch und seinen dicken Gas- und Staubring von der Erde aus betrachten. Das Bild, das wir sehen, hängt davon ab, wie sehr der Ring das schwarze Loch aus unserer Sicht verdunkelt, in manchen Fällen sogar völlig verdeckt. Verschiedene Forscher hatten bereits zuvor Beweise für das einheitliche Modell gefunden, darunter die Entdeckung von warmem Staub im Zentrum von NGC 1068. Es blieben jedoch Zweifel, ob dieser Staub ein schwarzes Loch vollständig verdecken kann und somit erklärt, warum AGNs dieser Art im sichtbaren Licht weniger hell leuchten als andere.

„Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Fütterung des schwarzen Lochs sowie bei der Bestimmung ihres Erscheinungs­bilds von der Erde aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen bei der Erforschung von AGNs. Obwohl kein einzelnes Beobachtungs­ergebnis alle Fragen klären kann, haben wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Funktionsweise von AGNs gemacht“, sagt Gámez Rosas. „Unsere Ergebnisse sollten zu einem besseren Verständnis der inneren Funktions­weise von AGNs führen. Sie könnten uns auch helfen, die Geschichte unserer Milchstraße besser zu verstehen, in deren Zentrum sich ein super­massereiches schwarzes Loch befindet, das in der Vergangenheit aktiv gewesen sein könnte.“

Ermöglicht wurden die Beobach­tungen durch das „Multi AperTure Mid-Infrared Spectro­Scopic Experiment“ (MATISSE), das sich auf dem Cerro Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste befindet. Matisse kombiniert Infrarotlicht von allen vier 8,2-Meter-Teleskopen des Very Large Telescope (VLT) der ESO auf interferometrische Weise. Das Team nutzte Matisse, um das Zentrum der Galaxie NGC 1068 abzuscannen, die in einer Entfernung von 47 Millionen Lichtjahren in Richtung des Sternbilds Cetus (Walfisch) liegt. „Matisse ist in der Lage, ein breites Spektrum an Infrarot-Wellen­längen zu erfassen, wodurch wir durch den Staub hindurchsehen und die Temperaturen genau messen können. Da es sich beim VLTI in der Tat um ein sehr großes Interferometer handelt, haben wir die nötige Auflösung, um selbst in so weit entfernten Galaxien wie NGC 1068 Einzel­heiten studieren zu können. Die Bilder, die wir erhalten haben, zeigen detailliert die Temperatur- und Absorptions­veränderungen der Staubwolken um das schwarze Loch“, sagt Walter Jaffe, Professor an der Universität Leiden.

Durch die Kombination der Temperatur­veränderungen des Staubs von ungefähr Raumtemperatur bis auf etwa 1200 Grad Celsius, verursacht durch die intensive Strahlung des schwarzen Lochs, mit den Absorptions­karten konnte das Team ein detailliertes Bild des Staubs erstellen und genau feststellen, wo sich die Position des Schwarzen Lochs befindet. Der Staub in einem dicken inneren Ring mit einer ausge­dehnteren Scheibe und das schwarze Loch in seinem Zentrum unterstützen das einheitliche Modell. Das Team nutzte ebenfalls Daten des „Atacama Large Milli­meter/Submilli­meter Array“ (ALMA), das in internationaler Kooperation unter anderem von der ESO betrieben wird, und des „Very Long Baseline Array“ (VLBA) des amerikanischen „National Radio Astronomy Obser­vatory“, um das aktuelle Bild zu erstellen. 

Die Forscher wollen das VLTI der ESO weiterhin nutzen, um Belege für das einheit­liche Modell der AGNs zu finden, indem sie eine größere Anzahl von Galaxien damit untersuchen. Teammitglied Bruno Lopez, Projektleiter für Matisse am Obser­vatoire de la Côte d'Azur in Nizza, Frankreich, sagt: „NGC 1068 ist ein wichtiger Prototyp eines AGNs und eine wunderbare Motivation, unser Beobachtungs­programm zu erweitern und Matisse zu optimieren, um eine größere Stichprobe von AGNs zu untersuchen.“ „Für die Rekonstruktion der Bilder wurden ausgefeilte Datenverarbeitungs­methoden entwickelt. Es sind die ersten hochauf­lösenden Bilder von NGC 1068 bei langen Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei bis zwölf Mikrometern, wo die Staubstrahlung am stärksten ist“, erklärt Karl-Heinz Hofmann vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie in Bonn.

„Zukünftige Beobachtungen mit dem Matisse-Instrument mit niedriger und zusätzlich auch hoher spektraler Auflösung werden es uns ermöglichen, die detaillierte Struktur von AGNs bei verschiedenen wichtigen Wellen­längen zu untersuchen“, sagt Gerd Weigelt, ebenfalls vom MPIfR. „Kombiniert mit inter­ferometrischen Beobachtungen bei Radiowellen­längen und anderen komple­mentären Beobachtungen wird dies die Untersuchung der Zentralregionen von AGNs mit noch nie dagewesener Präzision ermöglichen und unser Verständnis der Physik dieser Objekte verbessern.“

MPIfR / JOL

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