08.05.2020

Versteckt sich dunkle Materie zwischen Atomkernen?

Kein Einfluss dunkler Materie auf die Kraft zwischen Atomkernen nachweisbar.

Das Universum besteht zum über­wiegenden Teil aus dunkler Materie und dunkler Energie. Doch nichts davon lässt sich weder mit dem Auge noch mit Teleskopen direkt beobachten. Astronomen können sie nur indirekt aufgrund der Form von Galaxien und den über­geordneten Bewegungen im Kosmos nachweisen. Denn diese dunklen Formen verraten sich bisher einzig über die Gravitations­kraft, die auch die kosmischen Strukturen der normalen, sichtbaren Materie bestimmt. Es ist noch nicht bekannt, ob die dunkle Materie auch über die anderen drei Fundamental­kräfte – elektro­magnetische Kraft, schwache und starke Kernkraft – mit sich selbst und mit gewöhnlicher Materie wechselwirkt. Experi­mentatoren konnten – auch mit sehr aufwändigen Aufbauten – bisher keine derartige Wechsel­wirkung messen; wenn es sie überhaupt gibt, muss sie deshalb extrem schwach sein.

Abb.: Illustration eines laser­basierten Labor­experiments, um zwischen...
Abb.: Illustration eines laser­basierten Labor­experiments, um zwischen Atom­kernen nach einer Wechsel­wirkung zwischen dunkler und normaler Materie zu suchen. (Bild: HHU)

Um mehr Licht ins Dunkle zu bringen, lassen Wissenschaftler weltweit in verschiedenen neuartigen Experimente die drei nicht-gravitativen Fundamental­kräfte möglichst ungestört wirken und versuchen, diese Wirkung sehr genau zu vermessen. Gibt es Abweichungen von den erwarteten Wirkungen, können diese auf einen Einfluss von dunkler Materie oder Energie hinweisen. Manche dieser Experimente werden an gigantischen Forschungs­maschinen wie zum Beispiel am europäischen Zentrum für Teilchen­physik CERN in Genf durchgeführt. Es geht aber auch kleiner, so zum Beispiel in einem Laborexperiment in Düsseldorf, das auf höchst­mögliche Präzision ausgelegt ist. Das Team um Stephan Schiller vom Institut für Experimental­physik an der Universität Düsseldorf gewann nun mit einem Präzisions­experiment neue Erkenntnisse zur Vermessung der elektrischen Kraft zwischen dem Proton und dem Deuteron. Beides sind Isotope des Wasser­stoffs: Während der normale Wasserstoff nur aus einem einzigen Baustein im Atomkern – einem Proton – besteht, weist das schwerere Deuteron im Kern ein Proton und ein Neutron auf.

Untersucht wurde von den Physikern ein unge­wöhnliches Objekt: HD+, das Ion des teilweise deuterierten Wasserstoffmoleküls. Diesem Ion fehlt eines der sonst zwei Elektronen in der Molekülhülle. HD+ wird also nur von einem einzigen Elektron gebunden, das die abstoßende elektrische Kraft zwischen Proton und Deuteron kompensiert. Daraus resultiert eine bestimmte Bindungslänge zwischen Proton und Deuteron. Um diesen Abstand zu bestimmen, haben die Physiker die Rotationsrate des Moleküls auf elf Stellen genau bestimmt, mittels einer von ihnen kürzlich entwickelten Spektroskopie­technik. Die Forscher verwendeten dabei unter anderem Konzepte, die auch auf dem Gebiet der Quanten­technologie relevant sind, wie Teilchenfallen und laser­basierte Atomkühlung.

Es ist überaus kompliziert, aus den spektro­skopischen Messergebnissen auf die Bindungslänge und damit auf die Stärke der zwischen Proton und Deuteron wirkenden Kraft zu schließen. Das liegt daran, dass diese Kraft quanten­physikalische Eigenschaften besitzt. Die in den 1940er Jahren aufgestellte Theorie der Quanten­elektrodynamik (QED) kommt hier zur Anwendung. Ein Mitglied des Teams hat zwei Jahrzehnte lang die komplexen Berechnungen voran­getrieben und konnte schließlich eine hinreichend präzise Vorhersage für die Bindungs­länge liefern. Diese Vorhersage stimmt mit dem Düsseldorfer Messergebnis überein. Daraus lässt sich nun schließen, wie groß höchstens eine mögliche Modi­fikation der Proton-Deuteron-Kraft durch dunkle Materie sein kann. „Mein Team hat diese obere Grenze um mehr als das zwanzigfache gedrückt. Wir konnten zeigen, dass die dunkle Materie noch viel weniger mit der normalen Materie wechsel­wirkt, als bisher noch denkbar gewesen war. Diese mysteriöse Materieform hält sich also, zumindest im Labor, weiterhin bedeckt“, sagt Schiller.

HHU / JOL

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