21.05.2015

Verwirrende Sternexplosionen

Widersprüchliche Hinweise auf Vorgänger­sterne von Super­novae des Typs Ia – gibt es zwei Arten dieser kosmi­schen Standard­kerzen?

Supernovae des Typs Ia sind als „Standardkerzen“ ein wichtiges Werkzeug der Kosmologie. Maximale Leuchtkraft und Verlauf der Lichtkurve stehen bei ihnen in einem engen Zusammenhang. Aus der Lichtkurve können Astronomen daher die Leuchtkraft und, kombiniert mit der scheinbaren Helligkeit, die Entfernung einer Supernova ermitteln. Der Zusammenhang zwischen Entfernung und Rotverschiebung liefert dann die großräumige Geometrie des Kosmos und seine Expan­sionsrate. Mehr noch: In den 1990er Jahren führten Beobach­tungen von Ia-Supernovae zur – später mit dem Physik-Nobelpreis belohnten – Entdeckung der beschleunigten kosmischen Expansion. Doch die physikalischen Eigenschaften der geheimnis­vollen dunklen Energie, die diese Expansion antreibt, lassen sich nur ergründen, wenn auch die Physik der Standard­kerzen mit ausreichender Genauigkeit bekannt ist.

Abb.: Diese Computersimulation einer Supernova vom Typ Ia zeigt den Aufprall der ausgeworfenen Materie (rot) auf den Begleitstern (blau; Bild: D. Kasen, UCB)

Doch daran hapert es. Sicher sind sich die Astronomen bislang nur, dass die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergs in einem Doppelsystem zum Aufleuchten einer Supernova führt. Im zweifach entarteten Szenario ist auch der Begleiter ein weißer Zwerg, die beiden Zwergsterne kollidieren miteinander und vergehen in der Supernova-Explosion. Im einfach entarteten Szenario ist der Begleiter dagegen ein normaler, sonnenähnlicher Stern oder ein Riesenstern. Gas strömt vom großen Begleiter auf den weißen Zwerg, dessen Masse schließlich einen kritischen Wert überschreitet – es kommt zur thermonuklearen Explosion.

Für dieses zweite Szenario hat Daniel Kasen von der University of California in Berkeley 2010 einen starken ultravioletten Blitz unmittelbar nach der Explosion vorausgesagt, ausgelöst durch den Aufprall der vom explodierenden Stern ausgeworfenen Materie auf den größeren Begleitstern. Einen solchen UV-Blitz haben Yi Cao vom California Institute of Technology in Pasadena und seine Kollegen nun erstmals beobachtet. Die Schwierigkeit dabei ist, die Supernova früh genug aufzuspüren, um den unmittelbar auf die Explosion folgenden UV-Blitz nachweisen zu können. Die Palomar Transient Factory, eine vollautoma­tische Kamera am Samuel-Oschin-Teleskop auf dem Mount Palomar, macht es möglich: Jede Nacht scannt sie eintausend Quadratgrad nach vorüber­gehenden Himmels­erscheinungen ab.

Am 3. Mai 2014 ging dem Robot-Teleskop eine Supernova vom Typ Ia in der 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie IC831 ins Netz. Sofortige Nachbeob­achtungen mit dem Satelliten-Observatorium Swift zeigten den ersehnten UV-Blitz. „Die Emission stimmt mit den theoretischen Erwartungen für die Kollision des von der Supernova ausgestoßenen Materials und dem begleitenden Stern überein“, so Cao und seine Kollegen. Doch vorsichtig schreibt das Team von einem „Beweis dafür, dass einige Supernovae des Typs Ia über den einfach entarteten Weg entstehen.“

Die Vorsicht ist begründet, denn ausgerechnet Kasen selbst gelang es mit seinem Team nicht, den von ihm voraus­gesagten UV-Blitz nachzuweisen. Seine Forscher­gruppe wertete Daten des Satelliten Kepler aus, der seit 2009 nach Planeten bei anderen Sternen sucht. Dazu überwacht das Weltraum­teleskop die Helligkeit von Sternen – aber ganz nebenbei auch von 400 Galaxien. Auf diese Weise stießen Kasen und seine Kollegen auf fünf Supernovae, von denen sich drei als vom gesuchten Typ Ia entpuppten. Doch in allen drei Fällen zeigten Beobach­tungen im UV-Bereich keine Spur von dem erhofften Blitz. Das Fehlen dieses Blitzes sei ein klares Indiz dafür, dass „diese drei Supernovae durch die Verschmel­zung von jeweils zwei weißen Zwergen ausgelöst wurden“, so die Forscher.

Was bedeuten nun die widersprüchlichen Ergebnisse der beiden Studien? Vielleicht sind die theoretischen Modelle beide richtig, so der an den Beobachtungen nicht beteiligte Astro­physiker Sterl Phinney vom Caltech: „Es gibt nicht eine, sondern zwei unter­schiedliche Arten von Ia-Supernovae.“ Mithilfe von Projekten wie der Palomar Transient Factory geht es nun darum, eine große Zahl von Supernovae des Typs Ia zu beobachten und so zu ermitteln, wie häufig die beiden unter­schied­lichen Szenarien auftreten und welchen Einfluss sie auf die Explosions­helligkeit und die Lichtkurve einer Supernova haben. Nur so lassen sich die kosmo­logischen Standard­kerzen künftig genau genug eichen, um mit ihrer Hilfe der dunklen Energie auf die Spur zu kommen.

Rainer Kayser

OD

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