08.07.2004

Verzweigte Nanostrukturen

Nanotetraeder könnten Basismodule zukünftiger Nanochips und Solarzellen sein.




Berkeley (USA) - Bisher dominieren einzelne Röhrchen, Stäbchen oder Quantenpunkte die Nanowelt, doch in den Laboren weltweit wachsen zunehmend komplexere, dreidimensionale Nanostrukturen.
Amerikanische Forscher bereicherten diesen Baukasten nun mit winzigen Tetraedern, die sogar aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt werden können. Solche verzweigten Systeme könnten mit jeweils angepassten elektronischen Eigenschaften als Basismodule für zukünftige Nanochips oder hocheffektive Solarzellen genutzt werden. Über ihr neues chemisches Syntheseverfahren und einer Computersimulation zur Abschätzung der physikalischen Eigenschaften berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Nature".

"Für elektronische Anwendungen könnten verzweigte Strukturen aus mehr als einem einzigen Material sinnvoll sein. Und sobald man zwei Materialien hat, steigen die Verzweigungsmöglichkeiten enorm an", sagt Dalia Milliron von der University of California in Berkeley. Mit verschiedenen Verbindungshalbleitern aus Cadmiumsulfid, -selenid und -tellurid gelang ihr und ihren Kollegen vom Berkeley Lab's Materials Sciences Division die Verknüpfung zu komplexen Nanoteilchen. Den Ausgangspunkt bildeten dabei rund 50 bis 100 Nanometer lange Stäbchen aus Cadmiumsulfid, die nasschemisch aus einer Lösung heraus kristallisierten.

In weiteren Schritten ließ Milliron winzige Kappen aus Cadmiumselenid an diesen Stäbchen wachsen. Erst an dieses Material konnte sich Cadmiumtellurid anlagern, das die Fähigkeit zu einer Vernetzung über vier Anschlussmöglichkeiten weiterer Stäbchen zeigte. Dabei konnte über die Konzentration von Cadmium und Tellur-Anteilen in der Lösung die Kristallstruktur beeinflusst werden. Bei hohen Konzentrationen ordneten sich die Atome in der kubischen Zinkblende-Struktur, bei geringeren dagegen in der hexagonalen Wurtzitstruktur. Als Ergebnis erhielten die Forscher winzige Tetrapoden, die im Prinzip über weitere Anknüfungspunkte gezielt zu räumlichen Netzwerken ausgebaut werden können.


Graphische Darstellung der Tetrapoden aus Cadmiumselenid (links), erweitert mit Cadmiumtellurid (oben rechts) und weiteren Verzweigungen (unten rechts)


So erfolgreich dieses Baukasten-Prinzip funktioniert, so können die elektronischen Eigenschaften der Nanoteilchen stark mit der Größe der Partikel, der verwendeten Materialien und sogar mit der Geometrie variieren. Um vor aufwändigen Messungen einen Anhaltspunkt für das halbleitende und leitende Verhalten zu bekommen, greift die kalifornische Arbeitsgruppe auf Computer-Simulationen zurück. "Als wir einen reichen Fundus an Strukturen hatten, wollten wir einige grundlagende Startpunkte haben, um die elektronischen Eigenschaften gezielt untersuchen zu können"; so Milliron.

Weil diese Nanostrukturen aus einigen Hundert bis zu einer Millionen Atomen bestehen, müssen geeignete Näherungen bei der Berechnung genutzt werden. Den Schlüssel dazu wollen die Wissenschaftler in Modellen gefunden haben, die auf der lokalen Ladungsdichte der Elektronen beruht. Mit diesem so genannten LDA-Ansatz (local density approximation) offenbaren sich auch bei limitierter Rechenleistung die elektronischen Bandlücken, die bestimmte Nanostrukturen erwarten lassen. Ausgehend von der berechneten Ladungsdichte eines kleinen Teilbereiches der Struktur extrapolierten die Forscher auf das Verhalten der gesamten Struktur. Dabei werden die Teilergebnisse wie bei einem Puzzle zusammengesetzt und je nach Position und Anknüpfungpunkt in ihrer Auswirkung auf das komplette Gebilde gewichtet.

Auch wenn eine experimentelle Überprüfung dieser berechneten, physikalischen Eigenschaften noch aussteht, sehen Milliron und Kollegen einen weiten Anwendungsbereich ihrer Nanostrukturen. Je nach Bandstruktur und Aufbau sollen sie als Hardware für zukünftige Quantencomputer oder als Nanobausteine für hoch effiziente Solarzellen dienen können.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

  • ”Colloidal nanocrystal heterostructures with linear and branched topology", Delia J. Milliron, Steven M. Hughes, Yi Cui, Liberato Manna, Jingbo Li, Lin-Wang Wang, and Paul Alivisatos, Nature, Vol. 430, S. 190     
  • University of California, Berkeley: http://www.berkeley.edu     
  • Berkeley Lab's Materials Sciences Division: http://www.lbl.gov/msd/     
  • Arbeitsgruppe Alivisatos: http://www.cchem.berkeley.edu/~pagrp/


Weitere Literatur:

  • Manna, L., Scher, E. C., Li, L. S. & Alivisatos, A. P. Epitaxial growth and photochemical annealing ofgraded CdS/ZnS shells on colloidal CdSe nanorods. J. Am. Chem. Soc. 124, 7136–7145 (2002).


  • Mokari, T. & Banin, U. Synthesis and properties of CdSe/ZnS core/shell nanorods. Chem. Mater. 15,3955–3960 (2003).


  • Li, J. &Wang, L.W. Shape effects of electronic states of nanocrystals. Nano Lett. 3, 1357–1363 (2003).


  • Huynh, W. U., Dittmer, J. J. & Alivisatos, A. P. Hybrid nanorod-polymer solar cells. Science 295, 2425–2427 (2002).


  • Gudiksen,M. S., Lauhon, L. J.,Wang, J., Smith, D. C. & Lieber, C.M. Growth of nanowire superlattice structures for nanoscale photonics and electronics. Nature 415, 617–620 (2002).


  • Thelander, C. et al. Single-electron transistors in heterostructure nanowires. Appl. Phys. Lett. 83, 2052–2054 (2003).


  • Collier, C. P., Vossmeyer, T. & Heath, J. R. Nanocrystal superlattices. Annu. Rev. Phys. Chem. 49, 371–404 (1998).


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