Vestas Schicksal neu berechnet
Asteroidenanalyse: Computersimulation hilft, die Entstehung unseres Sonnensystems besser zu verstehen.
Einem Asteroiden namens Vesta gilt in der Forschung besondere Aufmerksamkeit: Mit seinen rund 500 Kilometern Durchmesser gehört er zu den drei größten Asteroiden und wird als Protoplanet (Planetenvorläufer) betrachtet. Zudem ist er der einzige bekannte Asteroid, der eine erdähnliche Struktur aufweist – mit einem Kern, einem Mantel und einer Kruste.
Martin Jutzi vom Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern hat nun mit einer dreidimensionalen Computersimulation präzise rekonstruiert, wie Vesta vor über einer Milliarde Jahre zweimal mit anderen Asteroiden zusammenstieß. So zeigen die Modellierungen, dass der Protoplanet diesen Kollisionen seine elliptische Gestalt verdankt und dass sie auch seine Oberflächenstruktur gezeichnet haben.
Abb.: Eine Momentaufnahme aus der 3D-Simulation: Die Kollision des Asteroiden Vesta mit einem rund zehnmal kleineren Asteroiden jagt gigantische Massen von Material hoch. Aus zwei solchen Einschlägen entstanden die sich überlappenden Krater, die beinahe die gesamte südliche Hemisphäre von Vesta überspannen. (Bild: M. Jutzi, CSH, U. Bern / P. Coderay, EPFL)
Die Simulationen erlauben zudem erstmals detaillierte Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Eigenschaften des Innenlebens von Vesta. Dies trägt dazu bei, die Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems besser zu verstehen. Die Planetenbildung beruht nämlich maßgeblich auf Kollisionen zwischen Himmelskörpern. „Unsere Methode ermöglicht besonders aufschlussreiche Auswertungen von Bild- und Messdaten aus Weltraummissionen“, sagt Martin Jutzi.
Bisher hatten Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble erste Hinweise auf einen riesigen Krater am Südpol des Asteroiden Vesta geliefert. Dann startete 2007 die Sonde „Dawn“ der NASA ihre Weltraum- und Zeitreise in die Vergangenheit des Sonnensystems. Ab Sommer 2011 kreiste sie ein Jahr lang auf einer nahen Umlaufbahn um Vesta. Bilder im visuellen Bereich sowie weitere Messdaten lieferten Informationen über die Topografie des Asteroiden sowie über die Zusammensetzung der Mineralien, die an seiner Oberfläche sichtbar sind. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die von Hubble beobachtete Vertiefung am Südpol aus zwei teilweise überlappenden Kratern besteht.
Von diesen Informationen ausgehend, zeigen nun die Computersimulationen von Jutzis Team, wie zwei nacheinander erfolgte Einschläge von Himmelskörpern genau zur Bildung der beobachteten überlappenden Krater führten. Diese überspannen beinahe die ganze südliche Hemisphäre von Vesta. Die Modellierungen zeigen Größe (66 und 64 Kilometer Durchmesser), Geschwindigkeit (5,4 Kilometer pro Sekunde) und Einschlagwinkel der Körper, die mit Vesta kollidierten. Dies verrät viel über die Art der Objekte, die sich vor einer Milliarde Jahre in der Nähe des Protoplaneten befanden.
Form und Topographie von Vestas südlicher Hemisphäre stimmen zwischen den Schlussbildern der Simulationen und den Bild- und Messdaten der Dawn-Mission sehr gut überein. Die Modelle reproduzieren sogar genauestens die spiralförmigen Strukturen im Inneren des jüngsten Kraters, die auf Bildern der Dawn-Mission sichtbar sind. „Dies zeigt wie zuverlässig unsere Methode ist“, sagt Jutzi.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Modelle auch Informationen über bisher verborgene Eigenschaften von Vesta liefern. So verraten die Simulationen zum Beispiel, dass das von den Einschlägen ausgeworfene Material aus Tiefen von bis zu 100 Kilometern stammt. „Wir können anhand der Verteilung und Art dieses Materials die verschiedenen inneren Schichten, aus denen Vesta zusammengesetzt ist, präzise rekonstruieren“, erläutert Philippe Gillet, Direktor des Earth and Planetary Science Laboratory der EPFL.
„Dass wir nun auch in das Innere solcher Planetenvorläufer blicken können, ermöglicht ganz neue Perspektiven bei der Erforschung der Geschichte unseres Sonnensystems“, sagt Jutzi.
U. Bern / PH