02.09.2016

Vibrierende Schiffe

Simulationen helfen, um Schwingungen mit adaptronischen Systemen zu reduzieren.

Diesel­motoren vibrieren. Das belastet Bauteile von Schiffen enorm. Adap­tronische Systeme können die Schwingungen wirksam reduzieren. Auf der Schiff­fahrtsmesse SMM in Hamburg zeigen Fraun­hofer-Forscher kommende Woche ein Simulations­werkzeug – „Mechanical Simulation Toolbox“ –, mit dessen Hilfe diese Systeme effizient entwickelt werden können.

Abb.: Auf Schiffen entstehen enorme Schwingungen. Auslöser sind die leistungsstarken Dieselmotoren. Die Vibrationen sind störend und schädigen Bauteile. Adaptronische Systeme helfen, die Schwingungen zu reduzieren. (Bild: Fh.-LBF)

Langsam legt das große Container­schiff vom Kai ab. Im Innern des Schiff­rumpfs wummern die Diesel-Zweitakt-Motoren. 60.000 Kilowatt Leistung bringen alles zum Schwingen: Die Anschlüsse am Motor, die Hochdruck­leitungen für Treibstoff und Schmieröl, den Antriebs­strang, Treppen, Stufen, Boden und Decken aus Stahl. Die Schwingungen übertragen sich auf den gesamten Schiffkörper. „Ein massives Problem: Die Vibrationen stören nicht nur, sie schädigen auch wichtige Bauteile des Schiffs“, sagt Heiko Atzrodt, Wissen­schaftler am Fraunhofer-Institut für Betriebs­festigkeit und System­zuverlässig­keit LBF in Darmstadt.

Adap­tronische Systeme helfen, die Schwingungen zu reduzieren. Das LBF hat eine Simulations­software programmiert, mit deren Hilfe diese Systeme effizient entwickelt werden können. „Erstmals ist eine Simulations­software für adap­tronische Systeme verfügbar. Bislang existiert für derartige Systeme kein durch­gängiger Entwicklungs­prozess. Entsprechende Software gibt es bislang nur als Insel­lösungen“, sagt Atzrodt.

Mit der Toolbox können Schiff­bauer adap­tronische Systeme Schritt für Schritt einfach am Rechner entwerfen. „Das spart Zeit und Kosten für teure Prototypen. Systeme können gleich von Anfang an optimal ausgelegt werden“, nennt Atzrodt als Vorteile. Das LBF implementiert die Software und ist Servicedienstleister. Die Toolbox ist im hessischen Forschungs­förder­programm LOEWE entstanden (Landes-Offensive zur Entwicklung Wissen­schaftlich-öko­nomischer Exzellenz). Partner des LBF im Adap­tronik-Projekt LOEWE-Zentrum AdRIA (Adaptronik – Research, Innovation, Application) in Darmstadt sind die Technische Uni­versität sowie die Hochschule Darmstadt. Die virtuelle Simulations­umgebung ist nicht auf die Schifffahrt beschränkt. „Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo Schwingungen entstehen – und sie ist ab sofort zu haben“, sagt Atzrodt.

Mit Hilfe der Software lassen sich passive und adap­tronische Systeme zur Schwingungs­minderung am Computer simulieren. Bei passiven Systemen wird keine zusätz­liche elektrische Energie eingeleitet. Sie wirken alleine durch ihren Aufbau. Federn und zusätzliche Massen beispiels­weise reduzieren die Schwingungen von Brücken, Motoren- oder Getriebe­lagern, indem sie die Übertragungs­pfade modifizieren. „Diesen Systemen sind jedoch gerade für mobile Anwen­dungen Grenzen gesetzt, da sie hier nicht beliebig groß und schwer werden dürfen“, erklärt Atzrodt. Dann kommen adap­tronische Systeme ins Spiel. Diese Bauteile wandeln zugeführte elek­trische Energie in mecha­nische Energie um und wirken so aktiv den Schwingungen entgegen. Dadurch sind sie trotz geringerem Gewicht und geringerer Größe leistungs­fähiger. Die Toolbox des LBF simuliert das schwingende sowie das benötigte adaptronische System. Das virtuelle System kann angefangen beim einfachen Modell später komplex aufgebaut werden.

Atzrodt, gleich­zeitig Geschäfts­führer der Fraun­hofer-Allianz Adaptronik, in der insgesamt sechs Fraun­hofer-Institute organisiert sind: „Am LBF beschäftigen wir uns seit über 15 Jahren mit adap­tronischen Systemen und deren Simulation. Wir arbeiten dabei sehr eng mit der Industrie zusammen. Die Adap­tronik wird stets bedeutender und die Nachfrage nach einer allgemein erhält­lichen Simulations­software nahm in den letzten Jahren stetig zu. Wir haben in der Vergangen­heit unsere Expertise deshalb verstärkt dafür eingesetzt, das benötigte Produkt zu entwickeln.“

Fh.-LBF / JOL

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