22.04.2008

Viel Optimismus

Maschinen- und Anlagenbauer, die elektrotechnische Industrie und andere Branchen erwarten ungeachtet der Finanzkrise, des starken Euro und der Rekord-Rohstoffpreise noch höhere Produktionszuwächse.

Hannover (dpa) - Die deutsche Industrie trotzt den Problemen der Weltwirtschaft und erwartet in diesem Jahr blendende Geschäfte. «Die Industrie erlebt eine echte Renaissance», sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, am Montag zum Start der Hannover Messe. Der BDI halte in diesem Jahr weiterhin bis zu zwei Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland für möglich. Maschinen- und Anlagenbauer, die elektrotechnische Industrie und andere Branchen erwarten ungeachtet der Finanzkrise, des starken Euro und der Rekord-Rohstoffpreise noch höhere Produktionszuwächse und wollen tausende neue Stellen schaffen.

Wachstumspotenzial sehen die Firmen vor allem bei energiesparenden Produkten und in den boomenden asiatischen Absatzmärkten. Als Wachstumshemmnisse gelten aber zunehmend Fachkräftemangel und Produktpiraterie.

Der Fachkräftemangel nehme inzwischen «dramatische Ausmaße» an, sagte der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Willi Fuchs. Die Unternehmen suchten derzeit rund 95.000 Ingenieure. Die Volkswirtschaft müsse pro Jahr auf sieben Milliarden Euro an Wertschöpfung verzichten. Deutschland drohe der Abstieg als Hightech- Nation.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Messe-Rundgang, zwar liege Deutschland in vielen Zukunftstechnologien vorn. Der Standort müsse aber bei der Nachwuchsförderung zulegen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte an, die Studiengänge Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik stärken zu wollen.

Verstärkt leidet die Industrie zudem unter Produkt- und Markenpiraterie. «Wir schätzen den Schaden auf etwa sieben Milliarden Euro», sagte der Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA, Manfred Wittenstein. 2006 seien es fünf Milliarden Euro gewesen.

Dennoch blickt die Industrie mit Zuversicht in die Zukunft. BDI-Präsident Thumann sagte, es gebe keinen Anlass, angesichts der globalen Finanzkrise «ein Katastrophenszenario herbeizureden». Wenn die bisherige Politik fortgesetzt werde, werde «die große Krise sicher nicht eintreffen». Bisher sehe er keine Auswirkungen bei der Industrie - auch nicht bei der Kreditversorgung durch die Probleme im Bankensektor. Auch der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) befürchtet keine «Kreditklemme». Für Unternehmen mit unzureichendem Eigenkapital könnte es aber zu einer Verschärfung der Konditionen kommen.

Thumann richtete allerdings eine Reihe von Forderungen an die Bundesregierung. «Das unkontrollierte Spendieren kann so nicht weitergehen», sagte er mit Blick auf die Erhöhung von Renten, Wohngeld und des Kindergeldzuschlages für Geringverdiener. Auch ein Mindestlohn sei abzulehnen, weil er Jobs koste. «Arbeitsplätze entstehen, wenn Marktmechanismen gestärkt werden und die Wirtschaft von überflüssigen Fesseln befreit wird.» Derzeit entstünden pro Tag 1000 neue Jobs.

In der deutschen Industrie herrsche «eine nach wie vor robust positive Grundstimmung» sagte Thumann. Die Prognose von bis zu zwei Prozent Wirtschaftswachstum sei allerdings anspruchsvoll, da es viele Risiken gebe: Finanzkrise, der starke Euro, steigende Rohstoffpreise und eine mögliche Rezession in den USA. Erst vor wenigen Tagen hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten die Wachstumserwartungen für dieses Jahr auf 1,8 Prozent reduziert.

Die Paradebranche Maschinenbau will in diesem Jahr 30.000 neue Jobs schaffen. «Der Maschinenbau schwimmt auf einer Erfolgswelle», sagte VDMA-Präsident Wittenstein. Der Auftragseingang sei weiter gestiegen. Der VDMA erwarte 2008 daher nach wie vor ein Wachstum der Produktion von fünf Prozent. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres stieg die Produktion bereits real um 13,5 Prozent. Nicht wenige Unternehmen seien bis zum Jahresende, zum Teil sogar bis ins Jahr 2009 ausgebucht. Zum Top-Thema der Hannover Messe, Energie, sagte Wittenstein, energieeffiziente Produkte seien ein «gigantischer Zukunftsmarkt».

Die deutsche Automatisierungsindustrie sieht sich ebenfalls auf stabilem Wachstumskurs. Die Debatte um Energieeinsparungen gebe der Branche noch zusätzlichen Schub, sagte Gunther Kegel, der den Sektor im Fachverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie vertritt. Der Bedarf an mehr Energieeffizienz werde in den kommenden Jahren den weiteren Einsatz automatischer Lösungen notwendig machen.

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