Vollbremsung bei Alpha Centauri
Raumfahrtvisionäre planen interstellare Mission zu unserem Nachbarstern.
Im April vergangenen Jahres verkündete der Milliardär Juri Milner die Breakthrough-
Abb.: Interstellare Reise: Im Rahmen des Starshot-Projekts soll ein winziges Raumschiff, angetrieben von einem riesigen quadratischen Photonensegel, in das Sternsystem Alpha Centauri fliegen und dort auch den erdähnlichen Planeten Proxima Centauri b passieren. Die vier roten Strahlen aus den Ecken des Segels deuten Laserpulse zur Kommunikation mit der Erde an. (Bild: U. Puerto Rico)
Milners Starshot-Projekt mutet fantastisch an, basiert es doch auf einem völlig neuen Konzept: Viele, nur wenige Gramm wiegende, mit einem leichten Sonnensegel ausgestattete Sonden werden zunächst konventionell in eine große Höhe gebracht und dann mit einem riesigen, leistungsstarken Laser von der Erde aus angestrahlt. Der Lichtdruck beschleunigt die Nanoschiffe in wenigen Minuten bis auf zwanzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit und treibt sie in Richtung des 4,2 Lichtjahre entfernten Sternsystems Alpha Centauri, wo sie zwanzig Jahre später ankommen.
Ungeachtet der technischen Anforderungen stellten Heller und Hippke sich die Frage: Wie könnte man bei einer solchen Mission die wissenschaftliche Ausbeute optimieren? Denn eine derart schnelle Sonde legt eine Strecke wie die zwischen Erde und Mond in nur sechs Sekunden zurück. Sie wäre also in kurzer Zeit an den Sternen und Planeten im Alpha-
Die beiden Forscher gehen bei ihren Überlegungen von einer Raumsonde aus, die insgesamt weniger als hundert Gramm wiegt und mit einem 100.000 Quadratmeter großen Segel ausgestattet ist. Mit der Annäherung an Alpha Centauri wächst die Bremskraft. Je stärker die Bremsung ist, desto mehr Geschwindigkeit kann bei der Ankunft abgebaut werden und desto schneller darf die Sonde bei ihrem Start im Sonnensystem sein. Nähert sich das winzige Raumschiff dem Stern bis auf etwa vier Millionen Kilometer, so darf es mit einer maximalen Geschwindigkeit von 13.800 Kilometern pro Sekunde – 4,6 Prozent der Lichtgeschwindigkeit – ankommen, mit höheren Geschwindigkeiten würde die Sonde am Stern vorbeirasen. Gleichzeitig zieht der Stern die Sonde mit seiner Schwerkraft an. Dieser Effekt ließe sich nutzen, um sie auf ihrer Bahn abzulenken.
Vorbeiflug an Alpha Centauri A
„Mit diesen Bahnparametern wäre die Sonde knapp hundert Jahre unterwegs“, sagt Hippke, „ungefähr doppelt so lange wie die Voyager-
Nun könnte sich das Segel so ausrichten, dass der Strahlungsdruck von Stern A die Sonde so stark abbremst und ablenkt, dass diese schon nach wenigen Tagen Alpha Centauri B erreicht und dort nochmals abgebremst in Richtung von Proxima Centauri geschleudert wird. Dort würde sie nach weiteren 46 Jahren ankommen – also rund 140 Jahre nach dem Start von der Erde. Proxima Centauri sorgte im August 2016 für Aufsehen, weil Astronomen der ESO einen Exoplaneten entdeckt hatten, der in etwa so massereich wie die Erde ist und den Stern in der lebensfreundlichen Zone umkreist. Damit ist es theoretisch möglich, dass auf ihm flüssiges Wasser existiert – eine wichtige Voraussetzung für Leben, zumindest auf der Erde. „Dieser Fund hat uns zusätzlich animiert, über mögliche Flugbahnen zu diesem Stern mit einer anschließenden Parkbahn um seinen Planeten nachzudenken“, sagt Heller.
Die beiden Forscher schlagen für die Strategie des Starshot-
Optik und Elektronik müssten winzig sein. Aber: Wenn man von einem modernen Smartphone alle für die Funktion unwichtigen Teile entfernt, bleiben nur wenige Gramm an funktionsrelevanter Technik übrig. Darüber hinaus müsste das leichtgewichtige Raumsegel eigenständig navigieren und seine Messungen per Laser zur Erde übermitteln. Dafür benötigte es Energie, die es eventuell von der Sterneneinstrahlung ernten könnte. Breakthrough Starshot stellt die Forscher also vor extreme Herausforderungen, die sich bisher ausschließlich theoretisch lösen lassen. Dennoch: „Viele großen Visionen in der Menschheitsgeschichte hatten mit schier unüberwindbaren Hürden zu kämpfen“, sagt Heller. „Und nun nähern wir uns einem Zeitalter, in dem die Menschen ihr eigenes Sternsystem verlassen und extrasolare Planeten aus der Nähe erforschen können.“
MPG / RK