03.02.2017

Vollbremsung bei Alpha Centauri

Raumfahrtvisionäre planen interstellare Mission zu unserem Nach­bar­stern.

Im April vergangenen Jahres verkündete der Milliardär Juri Milner die Break­through-Star­shot-Initi­ative: Hundert Milli­onen US-Dollar will er in die Entwick­lung eines Nano­raum­schiffs inves­tieren, das bis auf zwanzig Prozent der Licht­geschwin­dig­keit beschleu­nigt werden kann, um inner­halb von zwanzig Jahren das Stern­system Alpha Centauri zu erreichen. Unge­löst blieb bisher die Frage, wie das Geschoss am Ziel abbremsen soll. René Heller vom MPI für Sonnen­system­forschung in Göttingen und sein Kollege Michael Hippke schlagen jetzt vor, dafür Strahlung und Schwer­kraft der Sterne zu nutzen. Dann ließe sich das Vehikel sogar zum Begleit­stern Proxima Centauri und dessen mög­licher­weise erd­ähn­lichem Planeten Proxima-b um­lenken.

Abb.: Interstellare Reise: Im Rahmen des Starshot-Projekts soll ein winziges Raum­schiff, ange­trieben von einem riesigen quadra­tischen Photonen­segel, in das Stern­system Alpha Centauri fliegen und dort auch den erd­ähn­lichen Planeten Proxima Centauri b passieren. Die vier roten Strahlen aus den Ecken des Segels deuten Laser­pulse zur Kommu­ni­kation mit der Erde an. (Bild: U. Puerto Rico)

Milners Starshot-Projekt mutet fantastisch an, basiert es doch auf einem völlig neuen Konzept: Viele, nur wenige Gramm wiegende, mit einem leichten Sonnen­segel ausge­stat­tete Sonden werden zunächst konven­tio­nell in eine große Höhe gebracht und dann mit einem riesigen, leis­tungs­starken Laser von der Erde aus ange­strahlt. Der Licht­druck beschleu­nigt die Nano­schiffe in wenigen Minuten bis auf zwanzig Prozent der Licht­geschwin­dig­keit und treibt sie in Rich­tung des 4,2 Licht­jahre ent­fernten Stern­systems Alpha Centauri, wo sie zwanzig Jahre später ankommen.

Ungeachtet der technischen Anforderungen stellten Heller und Hippke sich die Frage: Wie könnte man bei einer solchen Mission die wissen­schaft­liche Aus­beute opti­mieren? Denn eine derart schnelle Sonde legt eine Strecke wie die zwischen Erde und Mond in nur sechs Sekunden zurück. Sie wäre also in kurzer Zeit an den Sternen und Planeten im Alpha-Centauri-System vorbei­gerast. Die Lösung: Das Segel der Sonde muss bei seiner Ankunft so ausge­richtet sein, dass die ihm ent­gegen­kommende Strah­lung der Sterne im Alpha-Centauri-System das Gefährt maximal abbremst.

Die beiden Forscher gehen bei ihren Überlegungen von einer Raum­sonde aus, die insge­samt weniger als hundert Gramm wiegt und mit einem 100.000 Quadrat­meter großen Segel ausge­stattet ist. Mit der Annä­herung an Alpha Centauri wächst die Brems­kraft. Je stärker die Bremsung ist, desto mehr Geschwin­dig­keit kann bei der Ankunft abge­baut werden und desto schneller darf die Sonde bei ihrem Start im Sonnen­system sein. Nähert sich das winzige Raum­schiff dem Stern bis auf etwa vier Milli­onen Kilo­meter, so darf es mit einer maxi­malen Geschwin­dig­keit von 13.800 Kilo­metern pro Sekunde – 4,6 Prozent der Licht­ge­schwin­dig­keit – an­kommen, mit höheren Geschwin­dig­keiten würde die Sonde am Stern vorbei­rasen. Gleich­zeitig zieht der Stern die Sonde mit seiner Schwer­kraft an. Dieser Effekt ließe sich nutzen, um sie auf ihrer Bahn abzu­lenken.

Vorbeiflug an Alpha Centauri A

„Mit diesen Bahnparametern wäre die Sonde knapp hundert Jahre unterwegs“, sagt Hippke, „unge­fähr doppelt so lange wie die Voyager-Sonden, die seit den 1970er Jahren unter­wegs sind und noch immer funk­tio­nieren.“ Theore­tisch könnte das Nano­schiff in eine Umlauf­bahn um Alpha Centauri ein­schwenken und dessen Planeten erkunden. Heller und Hippke denken aber noch weiter. Alpha Centauri ist ein Drei­fach­stern­system, die beiden Partner A und B um­runden sich auf einer sehr engen Bahn, während der dritte Stern, Proxima Centauri, 0,22 Licht­jahre entfernt ist.

Nun könnte sich das Segel so ausrichten, dass der Strahlungs­druck von Stern A die Sonde so stark ab­bremst und ab­lenkt, dass diese schon nach wenigen Tagen Alpha Centauri B erreicht und dort noch­mals abge­bremst in Richtung von Proxima Centauri geschleu­dert wird. Dort würde sie nach weiteren 46 Jahren an­kommen – also rund 140 Jahre nach dem Start von der Erde. Proxima Centauri sorgte im August 2016 für Auf­sehen, weil Astro­nomen der ESO einen Exo­planeten ent­deckt hatten, der in etwa so masse­reich wie die Erde ist und den Stern in der lebens­freund­lichen Zone umkreist. Damit ist es theore­tisch möglich, dass auf ihm flüs­siges Wasser exis­tiert – eine wichtige Voraus­setzung für Leben, zu­mindest auf der Erde. „Dieser Fund hat uns zusätz­lich ani­miert, über mög­liche Flug­bahnen zu diesem Stern mit einer anschlie­ßenden Park­bahn um seinen Planeten nach­zu­denken“, sagt Heller.

Die beiden Forscher schlagen für die Strategie des Starshot-Projekts noch eine weitere Verän­derung vor: Anstelle eines riesigen energie­fres­senden Lasers ließe sich auch die Sonnen­strah­lung nutzen, um eine Nano­sonde aus dem Planeten­system heraus zu beschleu­nigen. „Hierfür müsste sie sich bis auf etwa fünf Sonnen­radien der Sonne nähern, damit sie von dort aus den nötigen Schub erhält“, sagt Heller. Heller und Hippke befinden sich bereits im Aus­tausch mit den Teil­nehmern des Starshot-Projekts. Zwar fußt das beschrie­bene Szena­rio auf einer mathe­ma­tischen Studie und Computer­simu­la­tionen, doch für die benö­tigte Hard­ware gibt es bereits Ideen: „Das Segel könnte aus Graphen bestehen, einer extrem dünnen und leichten, aber mega­reiß­festen Kohlen­stoff­folie“, sagt Heller. Die Folie müsste die harschen Bedin­gungen auf der Reise und die Hitze nahe am Stern über­stehen.

Optik und Elektronik müssten winzig sein. Aber: Wenn man von einem modernen Smart­phone alle für die Funk­tion unwich­tigen Teile ent­fernt, bleiben nur wenige Gramm an funk­tions­rele­vanter Technik übrig. Darüber hinaus müsste das leicht­gewich­tige Raum­segel eigen­ständig navi­gieren und seine Messungen per Laser zur Erde über­mitteln. Dafür benö­tigte es Energie, die es even­tuell von der Sternen­ein­strah­lung ernten könnte. Break­through Star­shot stellt die Forscher also vor extreme Heraus­forde­rungen, die sich bisher aus­schließ­lich theore­tisch lösen lassen. Dennoch: „Viele großen Visionen in der Mensch­heits­geschichte hatten mit schier unüber­wind­baren Hürden zu kämpfen“, sagt Heller. „Und nun nähern wir uns einem Zeit­alter, in dem die Menschen ihr eigenes Stern­system ver­lassen und extra­solare Planeten aus der Nähe er­forschen können.“

MPG / RK

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