02.06.2023

Vom Seebeben zum Tsunami

Autonome Oberwasserfahrzeuge messen Verschiebungen in den Subduktionszonen zentimetergenau.

Verschiebungen zwischen kontinentalen und ozeanischen Platten am Meeres­grund erzeugen die stärksten Erderschütterungen und die gefährlichsten Tsunamis überhaupt. Wie und wann sie entstehen, wurde bisher jedoch kaum verstanden, da der Meeresboden für Messungen schwer zugänglich ist. Ein inter­nationales Forschungsteam, an dem auch James Foster vom Geodätischen Institut der Universität Stuttgart beteiligt war, konnte dank neuer Technologien in einem Seebeben­gebiet vor Alaska erstmals zentimeter­genaue Messungen durchführen.

Abb.: Wave-Glider mit Ortungs­modul und akustischen Mess­geräten für...
Abb.: Wave-Glider mit Ortungs­modul und akustischen Mess­geräten für Messungen am Meeres­boden. (Bild: T. Ericksen)

Das Chignik Erdbeben am 28. Juli 2021 ereignete sich 32 Kilometer unter dem Meeresboden vor der Küste Alaskas und war mit einer Magnitude von 8,2 das siebstärkste Erdbeben in der Geschichte der USA. Es entstand, weil die ozeanische Pazifikplatte unter die konti­nentale Nordamerika-Platte gleitet und dadurch einen enormen Schub verursacht. Die Schäden des Bebens vor Ort hielten sich in der dünn besiedelten Region zwar in Grenzen. Generell jedoch haben solche Megathrust-Erdbeben in der Subduktionszone ein enormes Zerstörungs­potenzial. Insbesondere können Tsunamiwellen erzeugt werden. Diese sind am Entstehungs­ort nicht sehr hoch, können aber Stunden später und viele hundert oder tausend Kilometer entfernt als katastro­phaler Tsunami auf die Küsten treffen und viele Menschen­leben gefährden.

Trotz der Dimension dieser Naturgefahren sind die relevanten physi­kalischen Prozesse, die bei Megathrust-Edbeben eine Rolle spielen, noch immer nur in begrenztem Maße verstanden. Daher ist es schwierig, die räumlich-zeitliche Entwicklung der gekoppelten Erdbeben- und Tsunamigefahr in Subduktions­zonen abzuschätzen. Um die Wahrschein­lichkeit, dass ein Beben einen Tsunami auslöst, besser prognos­tizieren zu können, untersuchten die Forscher um Benjamin Brooks vom United States Geological Survey (USGS) kurz vor und etwa zweieinhalb Monate nach dem Chignik-Beben den Meeresboden vor Alaska mit Hilfe eines globalen Navigations­satellitensystems (GNSS) und eines akustischen Ortungs­systems sowie eines Roboterschiffs.

Eine Schlüsselrolle spielten dabei autonome Oberwasser­fahrzeuge (Wave Glider), an deren Entwicklung James Foster beteiligt war und die sowohl mit GNSS als auch mit akustischen Messgeräten ausgestattet sind. Die moderne Technologie erlaubte zentimeter­genaue Messungen der Verschiebungen in den Subduktions­zonen und damit ein präzises Bild der kompli­zierten Gleitprozesse und Verwerfungen. Besonderes Augenmerk war dabei auf die flachen Abschnitte der Gleitzonen gerichtet, da diese entscheidend dafür sind, ob es zu einem Tsunami kommt oder nicht.

Die Messungen wurden in einer Wassertiefe von eintausend bis zweitausend Metern durchgeführt. „Noch besser wäre es, wenn wir Messungen in dreitausend bis viertausend Metern Wassertiefe direkt über dem flachsten Teil des Verwerfungs­systems vornehmen könnten“, sagt Foster. Die derzeit auf dem Meeres­boden eingesetzten geodätischen Systeme können jedoch in diesen Tiefen nicht eingesetzt werden.

Umso mehr freut sich der Tsunami-Forscher, dass er dank einer Förderung durch der Deutschen Forschungs­gemeinschaft und in Zusammenarbeit mit dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel bald ein Gerät anschaffen kann, dessen Sensoren geodätische Messungen in diesen Tiefen ermöglichen. „Mit diesem System werden wir erstmals in der Lage sein, die Bewegung des Meeresbodens in diesen tiefsten Abschnitten tsunami­gener Verwerfungen direkt zu messen.“

U. Stuttgart / JOL

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