10.05.2011

Vom Sturm leergefegt

Herschel weist Stürme nach, die Galaxien vom Rohmaterial für die Sternentstehung befreien.

Herschel weist Stürme nach, die Galaxien vom Rohmaterial für die Sternentstehung befreien.

Weit entfernte Galaxien im frühen Universum zeigen viel mehr Aktivität als unsere Milchstraße heute. Erklärt wird dies in gängigen Entwicklungsmodellen dadurch, dass gasreiche Galaxien verschmelzen, was nicht nur zu erhöhter Sternentstehung führt (so genannte „Starburst“-Galaxien) sondern auch das Schwarze Loch im Zentrum anwachsen lässt. Plötzlich hört diese erhöhte Aktivität aber auf; in nur wenigen Millionen Jahren sinkt die Sternentstehungsrate rapide und auch das Schwarze Loch wächst nicht mehr weiter. In dieser – für kosmische Verhältnisse – kurzen Zeitspanne müssen gewaltige Mengen Rohmaterial, etwa eine Milliarde Sonnenmassen, aus der Galaxie entfernt werden; doch welche physikalischen Prozesse sind hierfür verantwortlich?

Abb.: Nachweis der Winde aus molekularem Gas: Dazu wird die Spektrallinie des Hydroxyl-Moleküls (OH) benutzt. Emissionen der Akkretionsscheibe des Schwarzen Lochs und die der Gaswolken selbst überlagern sich: Die Stahlung aus dem galaktischen Zentrum scheint durch die Gaswolken, in denen das OH-Molekül das Licht blau-verschoben absorbiert. Gleichzeitig emittieren alle Gaswolken die OH-Linie. Diejenigen, die nicht genau auf der Sichtlinie zum Schwarzen Loch liegen und sich dabei von uns weg bewegen, zeigen sich rot-verschoben. (Bild: ESA/AOES Medialab)

Eine Lösung für dieses Rätsel könnten extrem starke, massereiche Winde sein, die das Gas förmlich aus den Zentren der Galaxien herausblasen. Angetrieben von neu gebildeten Sternen, den Schockfronten von Sternexplosionen oder auch dem Schwarzen Loch im Zentrum einer Galaxie könnten sie den Gasnachschub praktisch vollständig aus einer Galaxie entfernen und so genau die Aktivitäten zum Erliegen bringen, durch die sie überhaupt erst entstanden sind.

Ein internationales Wissenschaftlerteam um Eckhard Sturm vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) beobachtete einige besonders leuchtkräftige Infrarot-Galaxien mit dem PACS-Instrument an Bord des Herschel-Weltraumobservatoriums und entdeckte dabei die starken Winde aus kaltem, molekularem Gas. Bisherige Beobachtungen beschränkten sich weitgehend auf neutrales und ionisiertes Gas, das nicht direkt an der Sternentstehung beteiligt ist. „Der Nachschub für weitere Sternentstehung gerät damit sehr schnell ins Stocken – die Winde blasen bis zu tausend Sonnenmassen pro Jahr aus den Zentren der Galaxien heraus“, so Sturm.

Diese Beobachtungen zeigen damit nicht nur einen Zwischenschritt in der Galaxienentwicklung, von Scheibengalaxien mit vielen jungen Sternen und einem hohen Gasanteil hin zu elliptischen Galaxien mit alten Sternpopulationen und wenig Gas. Sie erklären auch eine weitere empirische Beobachtung: Die Masse des Schwarzen Lochs im Zentrum einer Galaxie und die Masse der Sterne im inneren Bereich der Galaxie scheinen korreliert zu sein. Eine solche Korrelation wäre eine natürliche Folge der jetzt gefundenen galaktischen Winde, da diese das gemeinsame Gasreservoir entfernen und somit sowohl die Sternentstehung als auch das Wachstum des Schwarzen Lochs unterbinden.

Die Beobachtungen reichen noch nicht aus, die treibende Kraft hinter diesen Winden definitiv zu bestimmen. Allerdings scheint es zwei Kategorien zu geben: Galaxien mit starker Sternentstehung („Starburst“-Galaxien) verlieren bis zu einigen hundert Sonnenmassen an Gas pro Jahr, einer Menge, die ungefähr auch ihrer Sternentstehungsrate entspricht. Mit Geschwindigkeiten von einigen hundert Kilometern pro Sekunde werden diese Winde wahrscheinlich vom Strahlungsdruck der Sterne und Sternexplosionen angetrieben. Galaxien, die durch das Schwarze Loch in ihrem Zentrum dominiert werden, verlieren sehr viel mehr Material, bis zu tausend Sonnenmassen pro Jahr und mehr; ihre Winde mit Geschwindigkeiten von etwa tausend Kilometern pro Sekunde werden wahrscheinlich hauptsächlich durch den Strahlungsdruck des aktiven Galaxienkerns verursacht.

MPE / KK

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