24.10.2014

Von einer löchrigen Lage zum Werkstoff der Zukunft

Neue Ansätze zur Dotierung von Graphen.

Härter als Diamant, stabiler als Stahl, dazu leicht, durchsichtig, biegsam und extrem leitfähig – Graphen besitzt vielversprechende Eigenschaften. Es könnte Computer schneller, Handys flexibler und Touchscreens dünner machen. Doch bis jetzt ist eine industrielle Herstellung des nur ein Atom dicken Kohlenstoff-Gitters problematisch. Fast immer ist ein Trägermaterial notwendig. Die Suche nach einem geeigneten Werkstoff dafür ist eine der großen Aufgaben auf dem Weg in die praktische Anwendung. Denn treten ungewollte Wechselwirkungen auf, und das Graphen verliert seine herausragenden elektrischen Eigenschaften.

Abb.: Probe in ARPES: Um die Dotierung der Graphen-Proben zu bestimmen werden diese mittels winkelauflösender Photo­elektronen-Spektroskopie (Angle-Resolved Photo Electron Spectroscopy) untersucht. (Bild: FZ Jülich)

Seit ein paar Jahren wird Siliziumkarbid auf seine Tauglichkeit als Trägermaterial getestet. Wird diese kristalline Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff in einer Argon-Atmosphäre auf mehr als 1400 Grad Celsius erhitzt, kann man Graphen auf den Kristall aufwachsen lassen. Das sogenannte epitaktische Monoschicht-Graphen hat allerdings eine – zwar sehr geringe aber dennoch störende – Wechselwirkung mit dem Substrat, die seine Elektronenbeweglichkeit einschränkt.

Um dieses Problem zu umgehen, bringt man Wasserstoff an der Grenz­fläche der beiden Materialien ein – ein Verfahren das als Wasserstoff-Interkalation bekannt ist. Die Bindungen zwischen Graphen und Träger­material werden durch Wasserstoffatome getrennt und abgesättigt. Dies unterdrückt den elektronischen Einfluss des Silizium­kristalls, doch das Graphen bleibt mechanisch mit dem Substrat verbunden: quasi-freistehendes Monoschicht-Graphen.

Für praktische Anwendungen braucht man die Option, die elektrischen Eigenschaften von Graphen zu modifizieren – zum Beispiel, indem man zusätzliche Elektronen in das Material einbringt. Dies geschieht durch die gezielte „Verschmutzung“ des Kohlen­stoff­gitters mit Fremd­atomen. Für eine solche Dotierung wird das Graphen mit einem Strahl von Stickstoff-Ionen beschossen und anschließend erhitzt. Dadurch entstehen Defekte in der Gitterstruktur: Einige wenige Kohlenstoffatome – weniger als ein Prozent – lösen sich aus dem Gitter und werden durch Stickstoffatome ersetzt, die zusätzliche Elektronen mitbringen.

Wissenschaftler des Jülicher Peter-Grünberg-Instituts, Bereich „Functional Nanostructures at Surfaces“ (PGI-3), haben jetzt zum ersten Mal untersucht, ob und wie die Struktur des Träger­materials diese Dotierung beeinflusst. An der Synchrotron­strahlungs­quelle Diamond Light Source im britischen Didcot, Oxfordshire, haben François C. Bocquet und seine Kollegen Proben von epitaktischem und quasi-frei­stehendem Monoschicht-Graphen mit Stickstoff dotiert, und seine strukturellen und elektronischen Eigenschaften untersucht. Mit stehenden Röntgen­wellen­feldern konnten sie Graphen und Substrat mit einer Genauigkeit von ein paar Millionstel Mikrometer – weniger als ein Zehntel eines Atomradius – abtasten.

Abb.: Ergebnis der ARPES-Untersuchung: Gitter­strukturen von epitaktischem Monoschicht-Graphen (EMLG) und quasi-freistehendem Monoschicht-Graphen (QFMLG), vor der Dotierung mit Stickstoff (links) und danach (rechts). Der Clou: Unter der Graphenschicht liegende Stickstoffatome dotieren das QFMLG ohne dessen Gitter zu zerstören. (Bild: FZ Jülich)

Die Ergebnisse waren überraschend. „Ein Teil der Stickstoffatome diffundierte aus dem Graphen in das Siliziumkarbid“, erklärt Bocquet. „Bisher war an­ge­nom­men worden, dass sich der Stickstoffbeschuss nur auf das Graphen auswirkt, nicht auf das Trägermaterial.“

Trotz gleicher Behandlung zeigten die beiden Proben unterschiedliche Stickstoff­konzen­trationen, aber nahezu die gleiche elektronische Dotierung: Auch wenn nicht alle Stick­stoff­atome in das Graphen-Gitter eingebaut wurden, stieg die Anzahl der Elektronen im Graphen dennoch so an, als ob dies der Fall wäre. Der Schlüssel zu diesem über­raschenden Ergebnis liegt im unter­schiedlichen Verhalten der jeweiligen Grenz­schichten zwischen Graphen und Substrat. Für das epitaktische Graphen änderte sich nichts: Die Grenz­schicht blieb stabil, die Struktur unverändert. Im quasi-freistehenden Graphen jedoch wurde ein Teil der Wasser­stoff­atome zwischen Graphen und Substrat durch Stick­stoff­atome ersetzt. „Wenn man das quasi-freistehende Graphen untersucht, findet man ab und zu ein Stick­stoff­atom unter dem Graphen­teppich“, so Bocquet. „Diese Stick­stoff­atome, obwohl nicht Teil des Graphens, können es trotzdem dotieren, ohne das Gitter zu zerstören. Dieses unerwartete Ergebnis ist sehr erfolgs­versprechend für künftige Anwendungen in der Mikro- und Nanoelektronik.“

FZ Jülich / LK

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