26.02.2016

Von Menschen gemachte Erdbeben

Bergbau, Staudämme, Geothermie, Erdöl- und Erdgasförderung und andere Aktivitäten führen vermehrt zu Erdbeben. Eine physikalische Analyse.

Der Mensch greift zunehmend in die dynamischen Vorgänge an der Erdoberfläche ein, wobei der Klimawandel oder Änderungen von Flusssystemen und damit verbundene Massentransporte bekannte Phänomene sind. Aber auch Eingriffe innerhalb der festen Erde nehmen zu, wie Senkungen oder Hebungen des Bodens, künstlich hervorgerufene Erdfälle oder gar Erdbeben aufzeigen. Solche induzierten Erdbeben sind Reaktionen auf menschliche Eingriffe in das Spannungsfeld der Lithosphäre, besonders durch dadurch verursachte Massenumlagerungen oder das Verpressen von Fluiden bis in mehrere Kilometer Tiefe.

In den mittleren Staaten der USA, die historisch als wenig seismisch aktiv bekannt sind, hat die jährlich Rate von spürbaren Erdbeben mit Magnituden von 3 und mehr inzwischen diejenige von Kalifornien, einem tektonisch aktiven Plattenrand, überschritten. Diese Zunahme ist auf die Injektion von Flüssigkeiten bei der Gas- und Ölförderung zurückzuführen.

Allgemein betrachtet sind Erdbeben Scherbrüche in Gesteinskörpern, die dann auftreten, wenn eine anliegende Spannung die interne Gesteinsfestigkeit oder den Scherwiderstand an einer bereits existierenden Verwerfungs- oder Störungszone überschreitet. Generell steht das Erdinnere durch die Auflast der Gesteine und plattentektonische Prozesse unter starken Spannungen.

Man unterscheidet menschlich induzierte Seismizität von natürlichen tektonischen Erdbeben, die alleine auf natürliche Spannungsprozesse im Erdinneren und einer dabei auftretenden Überschreitung der Gesteinsfestigkeit zurückzuführen sind. Es gibt auch Überschneidungen von natürlicher und induzierter Seismizität, beispielsweise wenn jemand in eine tektonisch vorgespannte Störung ein Fluid injiziert und dadurch ein Erdbeben auslöst. Die Stärke solcher „getriggerter“ Erdbeben wird durch die Vorspannung bestimmt und kann dadurch auch bei geringer Fluidmenge – darunter versteht man die Größenordnung von 105 m3 in einigen Stunden – deutlich spürbare Erschütterungen bewirken.

Abb. Bergwerksarbeiten zählen zu den Hauptursachen für menschengemachte Erdbeben (Foto: Fa. Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei, Bochum). 

Beeinträchtigungen wie unerwünschte Bodenbewegungen oder gar Schäden durch induzierte Erdbeben müssen als Preis für die Rohstoffstoffgewinnung gesehen werden. In den Steinkohlerevieren (Abbildung) nahm die Bevölkerung diese Auswirkungen meist hin, da sie früher durch sichere Arbeitsplätze kompensiert wurden. Allerdings ändert sich diese traditionelle Einstellung derzeit. 2008 führte ein Schadensbeben mit M = 4 sogar zur kompletten Einstellung der Steinkohleförderung im Saarland. Schon die schwachen induzierten Erdbeben an manchen Geothermie-Kraftwerken sorgen heutzutage für heftige Diskussionen darüber, ob man bereit ist, auftretende Erschütterungen für diese erneuerbare Energieerzeugung in Kauf zu nehmen.

Die größten Gefahren kommen aber durch große Staudammbauten in Gebieten mit erhöhter natürlicher Seismizität, zum Beispiel im Himalaya. Dort kann man das Triggern eines Starkbebens nicht ausschließen, wobei ein Großstaudamm komplett versagen und weitere, beträchtliche Schäden verursachen kann. Generell sind aktuelle Energieerzeugungskonzepte – sei es Wasserkraft, Geothermie oder Fracking – sowie das in der Öffentlichkeit viel diskutierte Verpressen von flüssigem CO2 im Untergrund – die CCS-Technologie – mit der Problematik induzierter Erdbeben verknüpft. Deshalb wird dieses Themenfeld zukünftig vermehrt in den Fokus geophysikalischer Forschung rücken.

Joachim Ritter, KIT Karlsruhe

In der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit diskutiert Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie die physikalischen Grundlagen und Arten von menschengemachten Erdbeben. Der vollständige Artikel steht Ihnen hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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