Bei der Umwandlung von Energie geht viel Wärme verloren, Schätzungen zufolge mehr als siebzig Prozent. In thermoelektrischen Materialien kann Wärme jedoch direkt in elektrische Energie umgewandelt werden. Dieser Seebeck-Effekt lässt sich in zahlreichen Anwendungen in der Industrie und im Alltag nutzen. Forscher der TU Wien um Ernst Bauer haben jetzt eine spannende Entdeckung in einem Thermoelektrikum gemacht, das aus Eisen, Vanadium und Aluminium besteht.
Um einen möglichst großen Energieumwandlungs-Effekt zu erzielen, suchen Forscher nach Materialien, die eine Reihe von Eigenschaften erfüllen: Sie sollten einen großen Seebeck-Effekt, eine hohe elektrische Leitfähigkeit und eine geringe Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Das ist jedoch äußerst schwierig, da die Eigenschaften miteinander verknüpft sind und voneinander abhängen. Daher stellten sich die Forscher die Frage, wie ein Material physikalisch aussehen müsste, damit es all diese Bedingungen bestmöglich erfüllt.
So ist es Physikern der TU Wien gelungen, ein neues Konzept zu finden, um diesen Widerspruch aufzulösen und alle thermoelektrischen Eigenschaften in einem Material gleichzeitig zu optimieren. „Am Anderson-Übergang, einem Quantenphasenübergang von lokalisierten zu beweglichen Elektronenzuständen, sind die Bedingungen für das ideale Thermoelektrikum gegeben. Das bedeutet, alle leitfähigen Elektronen haben ungefähr dieselbe Energie“, berichtet Fabian Garmroudi von der TU Wien.
Der Anderson-Übergang findet statt, wenn in einem Halbleiter Fremdatome hinzugefügt werden, welche ihre Elektronen stark an sich binden. Überschreitet die Anzahl der Fremdatome einen kritischen Wert, können sich die Elektronen plötzlich frei von einem Atom zum anderen bewegen und Strom kann fließen.
Der Anderson-Übergang konnte in enger Zusammenarbeit mit Forschern aus Schweden und Japan sowie der Universität Wien nachgewiesen und erstmals mit einer signifikanten Veränderung der thermoelektrischen Eigenschaften in Verbindung gebracht werden. Die spannende Entdeckung machte das Team, als sie das Material auf sehr hohe Temperaturen, nahe des Schmelzpunktes, erhitzten.
„Bei hohen Temperaturen schwingen die Atome so stark, dass sie gelegentlich ihre Gitterplätze vertauschen. Beispielsweise befinden sich Eisen-Atome dann dort, wo vorher Vanadium-Atome gewesen sind. Uns gelang es, dieses atomare Durcheinander, welches bei hohen Temperaturen auftritt, durch Quenchen, also dem raschen Abkühlen in einem Wasserbad, einzufrieren“, berichtet Ernst Bauer. Diese unregelmäßigen Defekte erfüllen genau denselben Zweck wie die Fremdatome, ohne dass die chemische Zusammensetzung des Materials dafür verändert werden muss.
In vielen Forschungsbereichen der Festkörperphysik ist man an möglichst reinen Materialien mit idealer Kristallstruktur interessiert. Der Grund: Die Regelmäßigkeit der Atome vereinfacht eine theoretische Beschreibung der physikalischen Eigenschaften. Im Fall von Fe2VAl sind es jedoch gerade die Fehlstellen, die den Großteil der thermoelektrischen Performance ausmachen. Auch in benachbarten Disziplinen hat sich bereits gezeigt, dass Unregelmäßigkeiten von Vorteil sein können. „Die Grundlagenforschung an Quantenmaterialien ist ein gutes Beispiel hierfür“, sagt Andrej Pustogow von der TU Wien. „Nun ist dieses Konzept auch in der angewandten Festkörperforschung angekommen.“
TU Wien / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Garroudi et al.: Anderson transition in stoichiometric Fe2VAl: high thermoelectric performance from impurity bands, Nat. Commun. 13, 3599 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-31159-w - Bauer-Gruppe, Institut für Festkörperphysik, Technische Universität Wien, Österreich